american pie
: Blitzableiter aus Detroit

Der NBA-Titelverteidiger imponiert im Finale der Eastern Conference durch Teambasketball der alten Schule

Bisher lief es für die Miami Heat in den Playoffs wie von selbst. Sie gewannen ihre Spiele, als wäre dies das Selbstverständlichste von der Welt. Zuerst bezwangen sie die New Jersey Nets, dann die Washington Wizards. Die Lufthoheit hatten stets die Heat, Miami blieb ungeschlagen. Auch als Center Shaquille O’Neal die letzten zwei Spiele gegen die Wizards aussetzen musste, zeigte sich das Team aus Florida bärenstark, vor allem dank seines Aufbauspielers Dwayne Wade, der eine beeindruckende Saison spielt. Seine Mitspieler haben ihn wegen seiner Verdienste auf dem Parkett den Spitznamen „The Flash“ verliehen, der Blitz.

Im Finale der Western-Conference haben sie sich nun mit den Detroit Pistons auseinander zu setzen, dem Titelverteidiger – und plötzlich ist alles anders. Erst jetzt haben die Playoffs für den Seriensieger aus dem Sonnenstaat so richtig begonnen. Die Pistons spielen keinesfalls die Rolle des Durchlauferhitzers für die Heat, wie Spiel eins der Serie in Miami in der Nacht zu Dienstag deutlich gezeigt hat. Der Titelverteidiger besiegte die Gastgeber mit 90:81 und fügte ihnen die zweite Heimniederlage seit Januar zu; die andere geht ebenfalls auf das Konto der Pistons.

O’Neal, der seit Mitte April an einer Oberschenkelverletzung laboriert, konnte auflaufen, war aber nicht der Schlüsselspieler der Partie. Der Koloss unterm Korb tat, was man von ihm erwartete. Solide 20 Punkte steuerte er bei einer Trefferquote von 64 Prozent bei. Nein, Shaq war nicht der entscheidende Faktor. Ihn ließen die Piston gewähren – wie schon im vergangenen NBA-Finale, als der massige O’Neal noch im Trikot der Los Angeles Lakers steckte und knapp 27 Punkte im Schnitt erzielte.

Damals richteten die Pistons den Fokus auf Kobe Bryant. Diesmal konzentrierte sich das defensivstärkste Team der Liga auf Dwayne Wade und fand wiederum den Schlüssel zum Sieg. Hatte Wade in den Playoffs nahezu unbehelligt Punkte sammeln können, so durfte er sich nun der Bewachung von Tayshaun Prince erfreuen, Pistons Allzweckwaffe gegen aufmüpfige Offensivstrategen. Der Blitz hatte in Prince seinen Ableiter gefunden. Wades magere Ausbeute: 16 Punkte; nur 7 von 25 Wurfversuchen aus dem Feld landeten in der Reuse. Prince, das ist Defensive auf zwei Beinen, ein hagerer Spieler mit krakenartigen Armen und merkwürdiger Wurftechnik, jedoch ein Meister im Kaltstellen von Korbjägern.

Die Detroit Pistons haben wieder einmal unter Beweis gestellt, dass sie ein herausragendes NBA-Team sind, eines, das gegen den Trend auf Vervollkommnung der Verteidigung und auf Teambasketball setzt. Wenn andernorts One-Man-Shows aufgeführt werden, in Philadelphia etwa, oder der Defensive untergeordnete Bedeutung zukommt, in Phoenix zum Beispiel, dann zeigt Detroit Old-School-Basketball der besten Sorte. Sollte es zum Finale Detroit gegen Phoenix kommen, könnten sich die Fans auf einen Kampf der Systeme freuen. Noch ist offen, welcher Ansatz siegen wird, doch wenn es den Heat nicht schnell gelingt, Dwayne Wade wieder ins Spiel zu bringen, dann ist ein offensivfreudiger Mitfavorit schon mal aus dem Rennen.

Es liegt wohl an ihrer unspektakulären Spielweise, dass die Pistons nicht jene Wertschätzung ernten, die ihnen zustehen müsste. So war die Genugtuung nach dem Erfolg in Miami umso größer. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir den gleichen Respekt wie andere Champions bekommen, aber wir wissen dies als Motivation zu nutzen“, sagte Chauncey Billups, Guard der Pistons. „Ich denke, dass man uns mehr respektiert, als es die Worte im Vorfeld verraten.“ MARKUS VÖLKER