AfD in Lichtenberg: Hetze am Stadtrand

In Hohenschönhausen sollen neue Unterkünfte für Geflüchtete entstehen. Die AfD nutzt das aus, um in der BVV Stimmung zu machen.

Fahne mit "FCK AFD" vor dem Linden-Center in Neu-Hohenschönhausen

Widerstand gab es schon Ende August, als die AfD gegen die geplanten Unterkünfte demonstrierte Foto: IMAGO / Emmanuele Contini

Berlin taz | In Neu-Hohenschönhausen, einer Plattenbausiedlung im äußeren Nordosten Berlins, ist das Leben für viele nicht einfach: Das Durchschnittseinkommen ist niedrig, etwa jedes zweite Kind wächst in einer Bedarfsgemeinschaft auf, es mangelt an Ärzten, Schulen und Kita-Plätzen. Wer, wie viele hier, auf den ÖPNV angewiesen ist, um von innerhalb des S-Bahnrings hierhin zu gelangen, kommt rasch auf den Gedanken, dass man die Gegend irgendwie vergessen hat.

Nächstes Jahr sollen hier zwei neue Unterkünfte für Geflüchtete entstehen, um ab Herbst 2025 voraussichtlich 660 Menschen unterzubringen. Ein paar Kilometer südlich, in Alt-Hohenschönhausen, mietet das Land ein ehemaliges Hotel an der Landsberger Allee für weitere 1.200 Menschen an. Die Frage, wie die seit Jahren marode soziale Infrastruktur in der Gegend verbessert werden könnte, stellt sich somit mehr denn je.

Die Lichtenberger AfD nutzt derweil die Situation, um Stimmung gegen Geflüchtete zu machen: Auf Antrag der Fraktion fand am Donnerstagabend eine Sondersitzung der BVV statt. Mit prominenter Unterstützung der Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch rief die Lichtenberger AfD ihre Anhänger dazu auf, zur Sitzung zu kommen, „um ein Zeichen zu setzen“. Statt scharenweise AfD-Anhängern kamen allerdings einige hundert An­ti­fa­schis­t:in­nen zur BVV, um vor der Max-Taut-Aula in Lichtenberg zu demonstrieren.

Schon Ende August hatte die Lichtenberger AfD zu einer Kundgebung nach Neu-Hohenschönhausen mobilisiert. Dort sprach AfD-Landeschefin Kristin Brinker, auch einige Neonazis waren vor Ort, die auf Demonstrationen bereits als gewalttätig aufgefallen sind.

Nazis auf der Pressebank

Auch auf der Pressebank im Bezirksparlament saßen dann gleich zwei bekannte Neonazis, die Reporter spielten: Stefan Böhlke aus dem Umfeld von „Bärgida“, der heute vor allem als Demo-Streamer aktiv ist, und Roy Grassmann, der für AUF1, das österreichische Pendant zum Compact-Magazin, moderiert. Grassmann ist ein Neonazi wie aus dem Bilderbuch: Der ehemalige NPD-Kader trainiert gemeinsam mit Kadern der Neonazi-Partei „Dritter Weg“ in Pankow und ist in der rechtsextremen Szene in Berlin und Umland bestens vernetzt. Einigen An­ti­fa­schis­t:in­nen wurde dagegen offenbar der Zugang zum Bezirksparlament verwehrt, wie das Solidaritätsnetzwerk auf Twitter schrieb.

Formal gesehen war die Sonder-BVV bedeutungslos: Obgleich sie die Möglichkeit dazu gehabt hätte, stellte die AfD-Fraktion keine Anträge zur Abstimmung. Die große Anfrage, einer der wenigen Tagesordnungspunkte, steuerte die Lichtenberger BSW-Fraktion bei.

Stattdessen nutzten örtliche AfD-Politiker die Bühne der BVV für Hetze: Der Verordnete Heribert Eisenhardt forderte ein Ende des „Experiments der Zwangsbuntheit“ und schwadronierte von der „Merkel’schen Grenzöffnung“. Offenbar um der erwarteten Kritik im Vorfeld etwas entgegenzusetzen, betonte der Fraktionsvorsitzende Dietmar Drewes, dass man ihm wegen seiner vietnamesischen Ehefrau keinen Rassismus vorwerfen könne. Mehrfach wurden AfD-Verordnete wegen Überziehung der Redezeit ermahnt.

„Kitas, Schulen, Ärzte – das ist das worüber wir reden müssen“, hielt der Linken-Fraktionschef Christian Petermann dagegen. „Hohenschönhausen könnte jetzt stark gemacht werden und die Infrastruktur bekommen, die es seit Jahren braucht“, so Phillip Ahrens (Grüne). Hier sei der Senat in der Verantwortung. Ahrens erinnerte an die untragbaren Zustände im sogenannten Ankunftszentrum in Tegel, wo Menschen teils auf 12 Quadratmetern leben müssen: „Das macht deutlich, weshalb wir solche Unterkünfte brauchen.“

Tatsächlich suchen das LAF und die zuständige Senatsverwaltung für Soziales händeringend nach Flächen, um Geflüchtete unterzubringen. Als eines der wichtigsten Ziele gilt es, das Elendslager Tegel leer zu bekommen. Und freie Flächen, sei es für den Wohnungsbau oder das Aufstellen von Containerdörfern, finden sich aus verschiedenen Gründen vor allem im Berliner Osten.

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