Forderung nach AfD-Verbot: „Drehbuch der Verächtlichmachung“
Die Thüringer Landtagskonstituierung endet im Eklat. Der CDU-Mann Wanderwitz und Thüringens SPD-Chef Maier wollen nun ein AfD-Verbot forcieren.
Berlin taz | Verhinderte Anträge und Wortmeldungen der demokratischen Parteien durch den AfD-Alterspräsidenten, lange Unterbrechungen und ein ergebnisloser Abbruch nach gut vier Stunden: Nach der chaotischen ersten Sitzung des Thüringer Landtags werden erneut Stimmen nach einem AfD-Verbotsverfahren laut. „Der Auftritt der AfD im Thüringer Landtag folgte ein weiteres Mal dem Drehbuch der Verächtlichmachung der parlamentarischen Demokratie und ihrer Institutionen“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz am Freitag der taz.
„Die rechtsradikale AfD tut das planvoll und leider wirkmächtig ob ihrer Wahlergebnisse. Es bedarf dringend eines Verbotsverfahrens beim Bundesverfassungsgericht, wie es das Grundgesetz in Artikel 21 vorsieht.“
Wanderwitz tritt schon länger für ein AfD-Verbotsverfahren ein und sammelt Unterstützer*innen im Bundestag, um dort einen entsprechenden Antrag einzubringen. Man arbeite hier interfraktionell zusammen und sei „auf der Zielgerade“, sagte Wanderwitz am Freitag. „Wir Demokratinnen und Demokraten müssen uns wehren.“
Für die Einbringung eines solchen Antrags bräuchte es 37 Bundestagsabgeordnete. „Die haben wir zusammen“, hatte Wanderwitz der taz bereits im Juni gesagt.
Auch Thüringens SPD-Chef für AfD-Verbotsverfahren
Auch die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic sagte am Freitag der taz, dass das Parlament aktiv werde müsse. „In der Tat zeigen die Vorfälle in Thüringen erneut, dass die AfD nicht einfach irgendwelche rechten Positionen vertritt, sondern in faschistoider Weise parlamentarische Verfahren aushebelt, wo sie die Möglichkeit dazu wittert“, so Mihalic. „Wir müssen dieser sehr konkreten Gefahr begegnen und im Dialog mit den anderen demokratischen Parteien sehr sorgfältig über das weitere Vorgehen sprechen.“
Nach der Landtagssitzung hatte auch Thüringens SPD-Vorsitzender und Noch-Landesinnenminister Georg Maier ein AfD-Verbotsverfahren gefordert. „Die heutigen Ereignisse im Thüringer Landtag haben gezeigt, dass die AfD aggressiv-kämpferisch gegen den Parlamentarismus vorgeht“, schrieb er auf der Plattform „X“. „Ich denke, dass damit die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren gegeben sind.“ Die Verstöße der AfD gegen den Artikel 1 des Grundgesetzes, also gegen die Menschenwürde, und die erforderliche „Potentialität“, also die Macht, ihre Ziele auch umzusetzen, seien dabei „schon länger unstrittig“, erklärte Maier.
Die erste Thüringer Landtagssitzung nach der Landtagswahl am Donnerstag war von AfD-Alterspräsident Jürgen Treutler geleitet worden. Der 73-Jährige hatte in einer Rede einer „politisch-medialen Elite“ die „Verachtung des Volkes“ vorgeworfen und erklärt, der stärksten Fraktion im Landtag stehe das Landtagspräsidentenamt zu, also seiner AfD.
Wiederholt hatte Treutler es abgelehnt, die Beschlussfähigkeit des Landtags festzustellen oder über Geschäftsordnungsanträge der Fraktionen abzustimmen. Abgeordneten von CDU, Linken, BSW und SPD entzog er das Wort. Es folgten heftige Wortgefechte, die anderen Fraktionen warfen Treutler vor, ihre Rechte zu missachten. Zu der geplanten Wahl einer oder eines LandtagspräsidentIn kam es nicht.
Verfassungsgerichtshof will Freitag entscheiden
Die CDU-Fraktion stellte schließlich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Thüringer Verfassungsgerichtshof, damit der Alterspräsident die Anträge der Fraktionen zur Abstimmung stellt. Die Parlamentssitzung wurde darauf unterbrochen. Der Gerichtshof will über den Antrag am Freitagnachmittag entscheiden, bis 12 Uhr soll Treutler eine Stellungnahme übermitteln.
Die Landtagssitzung soll am Samstagmorgen fortgesetzt werden. CDU und BSW wollen dann einen Antrag einbringen, wonach Personalvorschläge für das Landtagspräsidentenamt von allen Fraktionen kommen können und nicht nur von der stärksten Fraktion. Die AfD hatte die Rechtsextremistin Wiebke Muhsal als neue Landtagspräsidentin nominiert. Die 38-Jährige wird aber von allen anderen Fraktionen für diesen Posten abgelehnt.
Leser*innenkommentare
Abdurchdiemitte
Den Herren Wanderwitz (CDU) und Maier (SPD) wünsche ich viel Erfolg in ihrem Bemühen, endlich das AfD-Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen. Die aktuellen Ereignisse im Thüringer Landtag zeigen, dass es eigentlich schon fünf nach zwölf ist.
Wehrhafte Demokratie? Vielleicht ist es gerade DAS, was die AfD-Wähler noch beeindrucken könnte, andere Sprache als klare Regel- und Grenzsetzungen verstehen die nicht.
Im Grunde ein pädagogisches Problem. Wer in der Jugendhilfe arbeitet, weiß, wovon ich rede.
Gast100100
Womöglich hat die CDU Angst vor einem Kemmerich 2.0? Gemäß Geschäftsordnung darf der Alterspräsident 2x einen Kandidaten vorschlagen, über den offen abgestimmt wird. Erst im dritten Durchgang können die anderen Parteien Kandidaten vorschlagen und geheim abstimmen. Würde der AP einen CDUler vorschlagen, müssten alle Parteien wegen der Brandmauer offen gegen den AfD-Vorschlag sein. Die CDUler würden vermutlich ihren eigenen Mann wählen müssen und er wäre mit den Stimmen der AfD dann neuer Landtagspräsident.
morrison
Dass ihr dem Wanderwitz das immer noch glaubt! Seit einem Jahr läuft er jetzt mit der Behauptung herum, er hätte die Abgeordneten beisammen - aber wohl doch nur auf seinem Notizblock!
PeerTuba
Fordern, fordern, fordern… Machen!
Dass Wanderwitz bloß 37 Abgeordnete aktivieren kann, spricht Bände.
Zudem hätte die rotrotgrüne Thüringer Landesregierung zb. zusammen mit der rotroten Landesregierung von MV schon lange einen Antrag im Bundesrat stellen können. Selbst jetzt noch.
Und? Was ist?
Man „fordert“. Medienwirksam.
Aber man tut nix.
Große Frage: Warum? Hab ich noch nirgends gelesen, warum diese einfache Frage nicht gestellt wird.
Elise Hampel
Nochmal, immer wieder...
Das "Verbot der AfD" ist NICHT der zentrale, der wirkmächtige Hebel.
Ob diese Partei, also Organ /Organisation verboten gehört, ob ihre Agenda im Grundsatz verfassungsfeindlich, terroristisch, auf die Beseitigung, die Aufhebung der Ordnung im Sinne von Art.20 Abs 1 & 4 GG zielt,
wird an ihrer Praxis, an ihren Themen, an ihren taktisch-strategisch konkreten Projekten entschieden.
Solange bis weit in die bürgerliche Gesellschaft, ihre Parteien, Institutionen, die Presse, ihren Alltag hinein "Remigration" nicht als Terrorplan von Terroristen begriffen ist. Nicht als solcher entsolidarisiert, kriminalisiert, mit umfassender, kleinteiliger und anhaltender Repression begegnet wird,
muss auch ein parlamentarischer Arm solchen Terrorismus akzeptiert werden.
Das Problem liegt also nicht bei den Terroristen. Es liegt an einer Mehrheitsgesellschaft, ihren politischen Vertretungen, die als Terrorismus nicht definieren wollen, in dessen Tenor sie selbst einstimmen: Eigentlich irgendwie kein Einwanderungsland zu sein. Eigentlich irgendwie selbst nicht der Einwanderer zu sein. Obwohl man es selbst vielfach ist. (20.Mio nach1945)
Farang
Dem hätte man komplett aus dem Weg gehen können, aber die CDU, die sich jetzt am lautesten empört, hat es zu verantworten, dass letztes Jahr der Antrag der Grünen - um derlei Schmierentheater wie es gestern stattfand zu verhindern - scheiterte.
Wenn also heute alle schreiben und schreien dass die AfD an dem Zirkus gestern Schuld hat sage ich nein - diese Posse verdanken wir einzig CDU - und man sollte sich (und die CDU) viel deutlicher Fragen, welche Machtspielchen und zukünftige Optionen sie sich davon perspektivisch erhoffte und erhofft 🤔