Spätfolgen des Kolonialismus: Kein Asyl für Sahrauis in Spanien

35 Aktivisten aus der ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara wird Schutz verweigert. Sie sitzen am Madrider Flughafen fest.

Eine Frau spricht mit den Medien

Fatma El Galia, die die Betroffenen rechtlich betreut, gibt ein Statement vor Jour­na­lis­t:in­nen am Flughafen Madrid-Barajas Foto: Alejandro Martínez Vélez/imago

Madrid taz | Im Flughafen Madrid-Barajas sitzen derzeit 35 Asylbewerber aus der Westsahara im sogenannten Saal für Nichtanerkannte noch vor der Grenzkontrolle fest. Die 35 Menschen kommen aus der seit 1975 von Marokko zu 80 Prozent besetzten ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara, einem Wüstenlandstrich zwischen Marokko und Mauretanien.

„Bei zehn von ihnen wurden die Asylanträge abgelehnt. Die anderen warten auf eine Entscheidung“, erklärt Anwältin Fatma El Galia von der Vereinigung Sahrauischer Anwälte in Spanien, die die Betroffenen rechtlich betreut. Fernando Grande-Marlaska, Innenminister der Linksregierung, hat angekündigt, sie im Falle einer Ablehnung schnellstmöglich nach Marokko abzuschieben. 12 der 35 sind deshalb seit knapp einer Woche im Hungerstreik.

„Die 35 laufen Gefahr, in Marokko inhaftiert und misshandelt zu werden“, sagt El Galia. Alle seien sahrauische Aktivisten. Die meisten stammen aus der sahrauischen Studentenbewegung, die immer wieder in den marokkanischen Universitätsstätten in Rabat und Marrakesch gegen die Besatzung protestieren. Die spanischen Behörden jedoch betrachten sie als marokkanische Staatsbürger, denen sie kein Asyl gewähren.

„Alle 35 haben ihre ihnen aufgezwungene marokkanische Staatsangehörigkeit abgelegt, als sie in Spanien ankamen“, widerspricht El Galia. Schon deshalb müssten sie als Staatenlose aufgenommen werden. Diese Forderung unterstützt auch ACNUR, die Abteilung des Hohen Flüchtlingskommissars der UNO in Madrid.

„Sie behaupten nicht einfach, dass sie Sah­rauis seien, sie können das belegen“, sagt El Galia. Sie alle stammten aus Familien, die in einem von den Vereinten Nationen erstellten Zensus für ein nie abgehaltenes Referendum über die Zukunft der Westsahara erstellt wurde. Diese Listen wiederum stützen sich auf einen älteren Zensus der spanischen Kolonialverwaltung. Einige der 35, so die Anwältin, waren im Gefängnis und wurden dort gar misshandelt.

Mangelnde ärztliche Versorgung und schlechte Hygiene

„Die Situation auf dem Flughafen ist unerträglich“, sagt El Galia. Die Hygiene lasse zu wünschen übrig, eine adäquate ärztliche Versorgung gebe es weder für die beiden Kleinkinder, von denen eines an schweren Allergien leide, noch für die Erwachsenen, von denen einer krebskrank sei.

Die Weigerung des Innenministeriums, die 35 aufzunehmen, hat mittlerweile politische Folgen. Während der große Koalitionspartner, die Sozialisten von Ministerpräsident Sánchez, Innenminister Marlaska unterstützen, stellt sich das Linksbündnis Sumar hinter die Sahauris. „Sie dürfen auf keine Fall nach Marokko abgeschoben werden“, erklärt Tesh Sidi, Sumar-Abgeordnete und selbst Sahraui, nachdem sie nicht zu den Asylbewerbern vorgelassen wurde.

„Die Westsahara wird Spanien verfolgen, solange die Dekolonialisierung nicht abgeschlossen ist“, so Sidi. Neben Sumar verlangen auch die linksalternative Podemos sowie die baskische Bildu und die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) ein Bleiberecht für die 35. Bildu und ERC haben im Parlament einen Antrag gestellt, damit Marlaska vor die Plenarsitzung geladen wird. Alle drei Parteien unterstützen die Minderheitsregierung Sánchez.

Marokko verhindert Referendum über Westsahara

Seit in den 1990er Jahren ein Waffenstillstand zwischen der Befreiungsbewegung Polisario, die 20 Prozent der Westsahara sowie Flüchtlingslager auf algerischem Gebiet verwaltet, und Marokko zustande kam, versuchen die Vereinten Nationen vergebens, ein Referendum über Westsaharas Zukunft abzuhalten. Dies scheiterte bislang an der Haltung Marokkos.

2022 vollzog die spanische Regierung unter Sánchez eine Kehrtwende. Sie erkennt seither de facto Marokko als rechtmäßige Verwaltung über die besetzten Gebiete an. Ein Autonomiestatus innerhalb des marokkanischen Königreiches sei angeblich die einzige Lösung.

Dies befreit Madrid jedoch nicht von seiner internationalen Verantwortung, denn solange es kein Referendum und damit keine Dekolonialisierung gibt, ist Spanien für die UNO offiziell die Verwaltungsmacht des umstrittenen Gebietes.

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