Selenskyj wirbt um weitere Hilfen: Putin verschärft Nuklearrhetorik
Der ukrainische Präsident Selenskyj wirbt in den USA um Hilfen für sein Land im Krieg. Im Oktober soll ein Spitzentreffen in Deutschland stattfinden.
BERLIN taz | Der russische Präsident Wladimir Putin hat seine Rhetorik um den Einsatz von Atomwaffen erneut verschärft. Eine Aggression gegen Russland durch einen nicht nuklearen Staat, aber mit der Beteiligung oder Unterstützung eines nuklearen Staates, werde als gemeinsamer Angriff auf Russland betrachte, so Putin während einer Sitzung des russischen Sicherheitsrates am Mittwoch. Er kündigte dort eine Änderung der russischen Nukleardoktrin an und warnte die westlichen Verbündeten der Ukraine davor, Raketenangriffe gegen Russland zu unterstützen.
Putin reagierte damit auf die Entwicklungen der letzten Wochen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seine Unterstützer, insbesondere die USA und Großbritannien wiederholt um Erlaubnis gebeten, Langstreckenraketen zum Angriff auf Ziele in Russland einzusetzen. In der vergangenen Woche appellierte er an US-Präsident Joe Biden, sich „seinen Platz in der Geschichte zu verdienen, indem er die Ukraine stärkt“, bevor Bidens Amtszeit endet.
Während Großbritannien angeführt von Premierminister Keir Starmer, den Einsatz von Storm-Shadow-Raketen durch die Ukraine auf russischem Territorium unterstützt, bleiben die Amerikaner zögerlich. Laut New York Times erwägt Biden aber, den Antrag der Ukraine zu unterstützen – solange die Waffen nicht aus US-amerikanischer Produktion stammen. Nun will Starmer während eines Besuchs in den USA Druck auf das Weiße Haus ausüben, damit es grünes Licht für Langstreckenraketen in ukrainischer Hand gibt.
Druck macht auch Selenskyj. Am Mittwoch sprach der ukrainische Präsident vor der UN-Generalversammlung in New York. Er betonte dort erneut, dass Moskau versuche, sein Land von der Stromversorgung abzuschneiden und plane, die Ukrainer „in diesem Winter in Kälte und Dunkelheit“ zu lassen und sie zu zwingen, „zu leiden und sich zu ergeben“. Und er prangerte die aus seiner Sicht „halbherzigen Pläne“ zur Beilegung des Konflikts an. „Dies ignoriert nicht nur das Leid der Ukrainer – es gibt Putin den politischen Spielraum, um den Krieg fortzusetzen“, sagte er.
Ukraine fordert gerechten Frieden
Selenskyj forderte die Weltgemeinschaft auf, sich zusammenzuschließen und Russland zu zwingen, an den Verhandlungstisch zu kommen, um einen „gerechten Frieden“ zu erreichen. Er kritisierte zudem scharf den UN-Sicherheitsrat, in dem Moskau als ständiges Mitglied ein Vetorecht hat.
Die Ukraine hat außerdem einen sogenannten „Siegesplan“ ausgearbeitet, der am Donnerstag US-Präsident Biden vorgelegt werden sollte. Dabei soll es sich um einen Vorschlag zum Kriegsende zu den Bedingungen der Ukraine handeln. Und um mehr militärische, wirtschaftliche und politische Unterstützung durch die USA und andere Verbündete. Am Donnerstag kündigte die US-Regierung bereits vor dem Treffen weitere Militärhilfen für die Ukraine in Höhe von 8 Milliarden US-Dollar sowie Sanktionen gegen Russland an.
Ein Zeichen für die Solidarität mit der Ukraine soll auch ein hochrangiges Treffen von 50 Verbündeten in Deutschland setzen. Bereits im Oktober soll die Konferenz – offenbar im Rahmen des Ramstein-Formats der Ukraine-Kontaktgruppe stattfinden. Selenskyj läuft die Zeit davon. Sollte Donald Trump die US-Präsidentschaftswahlen im November gewinnen, würde sein Sieg die Ukraine in Zukunft vor ein großes Problem stellen.
Leser*innenkommentare
Agarack
Ich hoffe, dass die Biden-Regierung bei ihrer bisherigen, insgesamt besonnenen Unterstützung der Ukraine bleibt und sich nicht zu Abenteuern hinreißen lässt. Die Unterstützung der Ukraine ist im Grundsatz richtig, doch gerade werden am laufenden Band Grenzen eingerissen, von denen jede einzelne im schlimmsten Fall die letzte sein kann. Einen "Sieg" der Ukraine wird es nicht geben, Ziel muss doch das Überleben einer souveränen, unabhängigen und sicheren Ukraine sein, nicht der Erhalt jedes Quadratkilometers an Territorium.