+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Waffenruhe in Nahost gefordert

Eine Staatengruppe fordert eine sofortige 21 Tage dauernde Kampfpause. Israel bereitet eine mögliche Bodenoffensive im Libanon vor.

Ein Mann sitzt in einem Saal bei den Vereinten Nationen und hat ein USA Schild vor sich stehen

Robert Wood, Vizevertreter der USA für besondere politische Angelegenheiten bei den VN fordert diplomatische Lösung im Libanon Foto: Yuki Iwamura/FR171758 AP/dpa

Staaten fordern Waffenruhe

Nach massiven israelischen Luftangriffen im Libanon schwankt die Stimmung im Land zwischen Sorge vor einer Bodenoffensive und der Hoffnung auf eine diplomatische Lösung. Seit Beginn der intensiven israelischen Angriffe wurden nach Angaben der libanesischen Behörden mehr als 600 Menschen getötet, darunter Dutzende Frauen und Kinder. Zehntausende sind nach UN-Angaben im Libanon auf der Flucht vor den Bombardements. Während Israel eine Bodenoffensive vorbereitet, dringt eine Staatengruppe um die USA und Deutschland zusammen mit wichtigen arabischen Ländern auf eine Kampfpause.

Die geforderte Waffenruhe soll 21 Tage dauern und Raum schaffen für eine diplomatische Lösung des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz im Libanon sowie des seit fast einem Jahr andauernden Gaza-Kriegs – so steht es in der gemeinsamen Stellungnahme, die von den USA, Deutschland, der EU, Australien, Kanada, Frankreich, Italien, Japan, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar getragen wird. Deren Grundaussage: Diplomatie können keinen Erfolg haben, wenn der Konflikt eskaliere.

Der kollektive Aufruf geht zurück auf eine Initiative der USA und Frankreich. US-Präsident Joe Biden und der französische Staatschef Emmanuel Macron hatten zuvor in einer gemeinsamen Stellungnahme erklärt, es sei Zeit für eine Vereinbarung an der israelisch-libanesischen Grenze, die Sicherheit garantiere, damit Zivilisten in ihre Häuser zurückkehren könnten.

Die gemeinsame Stellungnahme der Staatengruppe richtet sich an alle Konfliktparteien, ausdrücklich auch an „die Regierungen Israels und des Libanons“. Ob Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sich davon beeindrucken lässt und angesichts der Kriegsführung seiner Armee im Gazastreifen und im Libanon ein Zeichen der Entspannung sendet, ist ebenso fraglich wie ein etwaiges Einlenken der islamistischen Kräfte in der Region – deren radikalste Vertreter sich die Vernichtung des jüdischen Staats auf die Fahne geschrieben haben. (dpa)

Vorbereitungen auf israelische Bodenoffensive

Im Kampf gegen die vom Iran unterstützten Schiitenmiliz Hisbollah mobilisiert die israelische Armee unterdessen zwei weitere Reservebrigaden. Ziel sind nach Militärangaben „operative Einsätze im nördlichen Bereich“. Generalstabschef Herzi Halevi sagte, die Armee bereite sich auf eine mögliche Bodenoffensive vor. Intensive Luftangriffe im nördlichen Nachbarland seien eine Vorbereitung darauf, während man die Schlagkraft der Hisbollah verringere. Aus Kreisen der libanesischen Miliz hieß es dazu, ihre Kämpfer seien „bereit, sich jeglicher möglichen Bodeninvasion entgegenzustellen“.

Die Hisbollah hatte am Mittwoch erstmals eine Rakete auf den Großraum Tel Aviv gefeuert. Das Geschoss wurde nach Militärangaben von der israelischen Raketenabwehr abgefangen. Die Hisbollah erklärte, der Angriff habe dem Hauptquartier des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad in einem Vorort der Küstenmetropole Tel Aviv gegolten. Insgesamt feuerte die Hisbollah nach Militärangaben rund 110 Raketen auf Israel.

Vor seiner Abreise zur UN-Vollversammlung in New York traf der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sein sogenanntes Sicherheitskabinett zu Beratungen über das weitere Vorgehen. (dpa)

Israel will „sukzessive Eskalation“

Israel hat nach Einschätzung des Nahost-Experten Jan Busse ebenso wie der Iran derzeit kein Interesse an einem „umfassenden regionalen Krieg“. „Die Gefahr besteht natürlich, dass es zu einem umfassenden regionalen Krieg kommt“, sagte der Politikwissenschaftler von der Bundeswehr-Universität München. Die militärische Eskalation zwischen Israel und der pro-iranischen Hisbollah im Libanon sei aber „noch kein offener Krieg“. Israels Ziel sei es vielmehr, die Schiitenmiliz „durch eine sukzessive Eskalation zum Einlenken“ zu bewegen.

Zwar sei die Lage an der Grenze zum Libanon „extrem angespannt“. Dies habe die „deutliche Eskalation“ in den vergangenen Tage gezeigt. Aus Busses Sicht bereitet Israel aber derzeit „noch keine Bodenoffensive“ vor. Mit dem Versuch, die Hisbollah durch militärischen Druck zu einer Einigung „auf eine Form von Waffenstillstand“ zu bewegen, will Israel nach Busses Einschätzung die Situation im Norden vielmehr „entkoppeln von der Situation im Gazastreifen“.

Die Hisbollah habe sich einer „Einheit der Arenen“ verschrieben, sagte Busse mit Blick auf die vom Iran angeführte sogenannte Achse des Widerstandes, zu der sich auch die Huthi-Miliz im Jemen und schiitische Gruppierungen in Syrien und im Irak zählen. Deren Ziel sei die Bekämpfung Israels und der Raketenbeschuss auf Israel zur Unterstützung der verbündeten Hamas im Gazastreifen.

Die internationalen Bemühungen um diplomatische Lösungen bewertet der Nahostexperte grundsätzlich positiv. Insbesondere die US-Regierung von Präsident Joe Biden habe sich hier in den vergangenen Monaten „sehr, sehr stark engagiert“, unter anderem mit der Ernennung des Sondergesandten Amos Hochstein. Zuletzt warnte Biden am Dienstag vor einem „umfassenden Krieg“ im Libanon und forderte, mit den diplomatischen Bemühungen nicht nachzulassen. (afp)

Tausende im Libanon auf der Flucht

Die Bombardierungen trafen vor allem den Süden Landes am Mittelmeer, aber auch die Bekaa-Ebene im Osten. Zehntausende der knapp 6 Millionen Menschen im Libanon gerieten durch die Angriffe in Panik und flüchteten in andere Landesteile oder gar über die Grenze ins benachbarte Bürgerkriegsland Syrien. In den betroffenen Gebiete im Süden suchten Verzweifelte teils am Strand Schutz – fern von möglichen Zielen und in der Hoffnung, dort sicherer zu sein.

Die Lage im Libanon war schon vor der jüngsten Eskalation der Gewalt prekär. Seit Jahren leidet das Land unter einer schweren Wirtschaftskrise, die auch das Gesundheitssystem an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hat. Zudem hat der kleine Küstenstaat seit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 etwa 1,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen – gemessen an der Einwohnerzahl ein Vielfaches der Zahl an Geflüchteten, die etwa in Deutschland unterkamen.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Terrorangriff der Hamas und anderer islamistischer Extremisten auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres beschießt die Hisbollah regelmäßig den Norden des jüdischen Staats – aus Solidarität mit der Hamas, wie sie sagt. Nach den massiven israelischen Bombardierungen im Libanon seit dem Wochenende droht nun ein offener Krieg zwischen Israel und der Hisbollah. Israels will die Miliz so weit schwächen, dass sie ihren Beschuss einstellt und vertriebene Israelis in ihre Wohngebiete im Norden des Landes zurückkehren können. (dpa)

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