Meduza-Auswahl 19. – 25. September: Freiwillig kinderlos? Propaganda!

Russlands Staatsduma liegt ein Gesetzesentwurf vor, der „Propaganda gegen das Kinderkriegen“ verbieten soll. Wer sich schuldig macht, soll hohe Geldstrafen zahlen.

Eine Frau läuft an Frauen aus Stein vorbei

Das Bild der idealen Familie – und Frau – wird in Russland immer enger Foto: Anton Vaganov/reuters

Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.

In der Woche vom 19. bis 25. September 2024 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:

Unterschlagung finanziert Wahlkampf

Eine Untersuchung der russischen Wahlbeobachtungsorganisation Golos hat ergeben, dass Geld aus einem großen Unterschlagungsfall für Wladimir Putins Wiederwahlkampagne im Jahr 2018 ausgegeben wurde. Darüber hinaus versäumte es die Kampagne, den „Beitrag“ zu melden, der die gesetzliche Spendenobergrenze überschritt – ein Vergehen, das nach russischem Recht zur Disqualifizierung Putins hätte führen müssen. Meduza fasst die wichtigsten Erkenntnisse des englischen Berichts zusammen.

Im Februar 2024 wurde Elena Lopaeva, ehemalige stellvertretende Präsidentin der russischen Region Perm, wegen Unterschlagung von 67,7 Millionen Rubel (730.000 US-Dollar) verurteilt – zu vier Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 500.000 Rubel (5.380 US-Dollar).

Laut einer neuen Untersuchung der unabhängigen russischen Wahlbeobachtungsbewegung Golos gab Lopaeva während ihres Gerichtsverfahrens zu, dass das Geld, das sie angeblich veruntreut hatte, für Wladimir Putins Präsidentschaftskampagne im Jahr 2018 ausgegeben wurde. Der ehemaligen Beamtin zufolge erhielt sie sogar eine Dankeskarte von Putins Team für ihre „Bemühungen“, die Kampagne zu unterstützen.

„Verbot der Propaganda“ gegen das Kinderkriegen

Wjatscheslaw Wolodin, Sprecher der russischen Staatsduma, erklärte am 24. September in seinem Telegramm-Kanal, dass die Abgeordneten mit der Prüfung eines Gesetzentwurfs zum „Verbot der Propaganda der bewussten Ablehnung des Kinderkriegens“ begonnen hätten. Ihm zufolge sieht der Gesetzentwurf ein Verbot von „Propaganda für Kinderlose“ („childfree“) im Internet, in Massenmedien, Filmen und Werbung vor.

Nach Angaben des Duma-Sprechers sieht der Gesetzentwurf Geldstrafen von bis zu 400.000 Rubel (etwa 3.800 Euro) für natürliche Personen, bis zu 800.000 Rubel (circa 7.700 Euro) für Beamte und bis zu fünf Millionen Rubel (48.000 Euro) für juristische Personen vor.

Im Jahr 2022 wurde in der Staatsduma ein Gesetzentwurf zum Verbot der „Propaganda für Kinderlose“ eingebracht. Damals wurde er nicht angenommen, aber jetzt, zwei Jahre später, scheint es so, als könnte er doch noch kommen. Der Präsidentensprecher Dmitri Peskow meldete sich zu Wort: „Alles, was den Anstieg der Geburtenrate verhindert, sollte aus unserem Leben verschwinden.“

Meduza verfolgt die Debatte (russischer Text) und analysiert die Motive der Regierung.

Ärzte ohne Grenzen zieht sich aus Russland zurück

In der vergangenen Woche gab die Organisation Ärzte ohne Grenzen bekannt, dass sie ihre Arbeit in Russland einstellen muss, nachdem das Justizministerium ihre Zweigstelle aus dem Register für ausländische NGOs des Landes gestrichen hatte. Die internationale Nichtregierungsorganisation gehörte zu den ersten humanitären Missionen, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ihre Arbeit in Russland aufnahmen.

Mehr als drei Jahrzehnte lang hat MSF Dutzende wichtiger Programme durchgeführt und schutzbedürftigen Menschen in ganz Russland in schwierigen Situationen geholfen. Seit 2022 leistet Ärzte ohne Grenzen auch humanitäre Hilfe für Zivilisten, die vom russischen Krieg in der Ukraine betroffen sind. Das russische Justizministerium gab keine Erklärung für die Entscheidung ab, wodurch es für Ärzte ohne Grenzen unmöglich wurde, die Arbeit im Land fortzusetzen. Anlässlich des Rückzugs von Ärzte ohne Grenzen aus Russland blickt Meduza auf die 32-jährige Arbeit der Organisation zurück (Englischer Text).

Ärzte ohne Grenzen plante auch, in der Region Kursk humanitäre Hilfe zu leisten, war aber letztlich gezwungen, seine Aktivitäten einzustellen.

Mögliche neue Mobiliserungswelle

In den letzten Monaten flammen die Gerüchte über eine mögliche neue Mobilisierungswelle in Russland wieder auf. Sie verstärkten sich Anfang August 2024 nach dem Aufmarsch der ukrainischen Armee in der Region Kursk. Gleichzeitig schrieben prorussische „Militärkorrespondenten“ und Autoren russischer Popagandasender bereits im Juli auf die Notwendigkeit einer Mobilisierung hin: Diese sei im Falle einer weiteren Eskalation mit dem Westen notwendig werden könnte. „Meduza“ konnte mit Quellen in den Behörden sprechen (Russischer Text).

Kremlnahe Quellen von Meduza räumen ein, dass die Mobilisierung derzeit „eine der größten Ängste“ in Russland sei. „Es gibt einen ständigen negativen Hintergrund: steigende Preise, die SWO selbst“, – (die sogenannte Spezielle Militärische Operation) argumentiert einer von ihnen. – Und die Mobilisierung ist eines der wichtigsten negativen Zukunftsszenarien, das den Menschen ständig durch den Kopf geht“.

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