Nach schlechten Landtagswahlergebnissen: Grünen-Vorstand tritt zurück

Ricarda Lang und Omid Nouripour wollen ihr Amt abgeben. Hintergrund sind die schlechten Ergebnisse bei den Landtagswahlen. SPD-Spitze dankt für Zusammenarbeit.

Omid Nouripour und Ricarda Lang

Treten zurück: Omid Nouripour und Ricarda Lang, die Che­f:in­nen der Grünen, bei der Pressekonferenz am Mittwoch Foto: Paul Zinken/dpa

Berlin afp/dpa/taz | Nach einer Serie von Wahlniederlagen hat der Bundesvorstand der Grünen geschlossen seinen Rücktritt erklärt. „Wir sind zum Ergebnis gekommen: Es braucht einen Neustart“, sagte Parteichef Omid Nouripour am Mittwoch in Berlin. Auf dem Bundesparteitag im November solle ein neuer Vorstand gewählt werden. „Das Wahlergebnis am Sonntag in Brandenburg ist ein Zeugnis der tiefsten Krise unserer Partei seit einer Dekade“, betonte Nouripour.

Die Grünen hatten bei den vier zurückliegenden Wahlen – der Europawahl und den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg – drastische Verluste erlitten. In Brandenburg haben sie ihr Ergebnis mehr als halbiert. Aus zwei Landtagen flogen sie hinaus. Allein in Sachsen gelang ihnen knapp der Wiedereinzug ins Landesparlament

Es brauche nun „neue Gesichter, um die Partei aus dieser Krise zu führen“, sagte Ko-Parteichefin Ricarda Lang. Die Wahl eines neuen Vorstands solle ein „Baustein sein für die strategische Neuaufstellung dieser Partei“. Lang fügte hinzu: „Jetzt ist nicht die Zeit, um am Stuhl zu kleben – jetzt ist die Zeit, Verantwortung zu übernehmen, und wir übernehmen diese Verantwortung, indem wir einen Neustart ermöglichen.“

Lang und Nouripour waren im Januar 2022 gemeinsam an die Spitze der Partei gewählt worden. In der Partei sind sie relativ beliebt. Dass zwischen ihnen – anders als bei manchen Vorgängern – keine Rivalitäten und Meinungsverschiedenheiten zu spüren waren, rechnen ihnen viele Grünen-Mitglieder hoch an. Der aktuelle Bundesvorstand war im November 2023 eigentlich für zwei Jahre gewählt worden.

Schon am Montag hatte Nouripour relativ resigniert geklungen. Er sprach von einer bitteren Niederlage in Brandenburg und zeigte sich zugleich konsterniert über den Zustand der Ampel-Koalition. „Der große Feng-Shui-Moment wird wohl nicht mehr kommen, und das glaubt mir auch niemand mehr, wenn ich das sage“, sagte er nach Beratungen des Parteivorstandes. „Wir machen unsere Arbeit, wir versuchen, das Land nach vorne zu bringen und fühlen uns auch an den Koalitionsvertrag, an das, was miteinander vereinbart worden ist, gebunden“, sagte der Grünen-Chef. „Aber das ist es auch dann.“

Dem bisherigen Grünen-Vorstand gehören neben Lang und Nouripour noch die stellvertretenden Parteivorsitzenden Pegah Edalatian und Heiko Knopf, Geschäftsführerin Emily Büning und Bundesschatzmeister Frederic Carpenter an. Nach Langs Angaben soll der Vorstand noch bis zur Neuwahl auf dem Parteitag im Amt bleiben.

Habeck dankt für „großen Dienst an der Partei“

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat den angekündigten Rücktritt des Grünen-Parteivorstands als „großen Dienst an der Partei“ bezeichnet. Habeck sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Dieser Schritt zeugt von großer Stärke und Weitsicht. Ricarda Lang und Omid Nouripour beweisen, was für sie der Parteivorsitz bedeutet: Verantwortung. Sie machen den Weg frei für einen kraftvollen Neuanfang. Das ist nicht selbstverständlich, es ist ein großer Dienst an der Partei.“

Habeck sagte weiter: „Wir tragen hier alle Verantwortung, auch ich. Und auch ich will mich ihr stellen.“ Die Grünen wollen im Herbst entscheiden, ob sie bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr einen Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken oder nur mit einem Spitzenkandidaten antreten. Derzeit läuft alles auf Habeck hinaus.

„Ich möchte auf dem Parteitag eine offene Debatte zu einer möglichen Kandidatur und ein ehrliches Votum in geheimer Wahl“, sagte Habeck. Der Parteitag im November werde jetzt der Ort werden, „wo sich die Grünen neu sortieren und neu aufstellen werden, um dann mit neuer Kraft die Aufholjagd zur Bundestagswahl zu beginnen“.

SPD sieht Ampel nicht gefährdet

Katja Mast, 1. Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion sagt in einer ersten Reaktion zu taz, sie „nehme die Entscheidung mit Respekt zur Kenntnis“. Die Stabilität der Ampelkoalition sei nicht gefährdet: „Wir haben bislang überall gemeinsame Lösungen gefunden und haben uns noch einiges vorgenommen. Ich gehe davon aus, dass wir in diesem Arbeitsmodus gemeinsam weitermachen“, so Mast.

Sie gehe „davon aus, dass die Grünen das gleiche Interesse haben, gemeinsam vereinbarte Dinge umzusetzen und es sich nur um eine Neusortierung innerhalb der Grünen und nicht innerhalb der Regierungskoalition handelt.“

SPD-Spitze dankt für Zusammenarbeit

Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil haben der zurückgetretenen Grünen-Spitze für die Zusammenarbeit gedankt. „Wir haben gemeinsam an der Spitze unserer beiden Parteien stets verlässlich und vertrauensvoll Dinge besprochen und geklärt“, heißt es in einem gemeinsamen Statement. „Trotz mancher inhaltlicher Unterschiede war diese Partnerschaft sehr angenehm, weil sie auch menschlich belastbar war.“ Deshalb danke man Omid Nouripour und Ricarda Lang „von Herzen“. Aussagen zu möglichen Auswirkungen auf die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP machten sie nicht.

Anm. der Redaktion: Der Text wird im Laufe des Tages aktualisiert.

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