Wahlkreiskarte vor einem Bild des Hochwassers an der Oder

Wahlkreiskarte vor einem Bild des aktuellen Hochwassers an der Oder Foto: dpa/taz

Wählerwanderung in Brandenburg:Weitgehend braunes Hochwasser

Woher hat die AfD ihre Stimmen? Woher die SPD? Wo sind Hochburgen der Parteien? Wo sind sie besonders schwach? Alle Grafiken zur Brandenburg-Wahl.

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23.9.2024, 10:29  Uhr

Die Wahl in Brandenburg war eine Wahl der Verlierer. Die AfD hat den erträumten ersten Platz verpasst. SPD und CDU verpassen die nötige Mehrheit zum Weiterregieren. Grüne, Linke und Freie Wähler verpassen den Wiedereinzug ins Parlament. Und die FDP? Sie verpasst offenbar jeglichen Zugang zu den Wähler:innen. Nur das BSW kann halbwegs zufrieden sein. Aber ein überraschendes Highlight kann es nach den Erfolgen von Thüringen und Sachsen auch nicht bieten.

Aber wo sind die Wäh­le­r:in­nen hingewandert? Wo waren die Parteien besonders stark? Und wo besonders schwach? Welche Optionen für eine Koalition bieten sich? Im Folgenden finden Sie eine Analyse der Wahlergebnisse in Grafiken.

WÄHLERWANDERUNG:

SPD und AfD punkten bei Nicht­wäh­le­r:in­nen

Die SPD hat ihren Wahlsieg einer Begeisterung auf breiter Front zu verdanken. Vor allem aber profitierte sie von der deutlich gestiegenen Wahlbeteiligung. Das zeigt die Analyse der Wählerwanderung vom Umfrageinstitut infratest dimap.

Demnach konnte die SPD vor allem bei den vorherigen Nicht­wäh­le­r:in­nen punkten. Von ihnen konnte sie 51.000 Stimmen gewinnen – das entspricht in etwa einem Stimmenanteil von 3,4 Prozentpunkten. Hier hat das Versprechen, dass man mit einer Stimme für die SPD die AfD, wenn nicht stoppen, so doch auf Platz 2 verweisen könne, gefruchtet. Das Argument hat auch bei den bisherigen Grünen-Wähler:innen gefruchtet. Sie switchten in Scharen zur SPD: 47.000 wanderten rüber – was gut 3 Prozentpunkten entspricht. Das machte 75 Prozent aller Verluste der Grünen aus und dürfte dafür gesorgt haben, dass sie am Ende deutlich an der 5-Prozent-Hürde gescheitert sind.

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Die Grünen-Klientel ist anscheinend auch nicht besonders populismusresistent. 5.000 Wäh­le­r:in­nen wechselten von den Grünen zum BSW, 3.000 gar direkt zur AfD – zusammen macht das einen weiter halben Prozentpunkt aus. Die Grünen sind zudem die einzige Partei, die an die Nicht­wäh­le­r:in­nen verloren hat. Das ist wahrlich kein gutes Zeichen für das Standing der Partei.

Von der hohen Wahlbeteiligung profitierte auch die AfD – sogar noch stärker als die SPD. Die Rechtsextremen konnten sogar 79.000 Stimmen von bisherigen Nicht­wäh­le­r:in­nen gewinnen, was rund 5,3 Prozentpunkten entspricht. Das machte schon 60 Prozent ihrer Zuwächse aus. Zudem konnte sie 21.000 Stimmen von der CDU abziehen.

BSW gewinnt von Linken, SPD und Nicht­wäh­le­r:in­nen

Die Linkspartei verliert wie erwartet vor allem an das BSW. Gleich 44.000 Wäh­le­r:in­nen (fast 3 Prozentpunkte) wechselten zu der Wagenknecht-Abspaltung. Aber auch bei ihrer restlichen Klientel kommt die Linke offenbar nicht mehr an. 25.000 bisherige Wäh­le­r:in­nen wechselten zur SPD – wohl auch, um Woidke im Schlussspurt gegen die AfD zu unterstützen. Aber auch 6.000 ehemalige Linken-Wähler:innen stimmten diesmal für die AfD.

Das BSW war aber nicht nur bei einstigen Linken erfolgreich. 26.000 Stimmen (1,7 Prozentpunkte) konnte es auch von der SPD abziehen. Sonst wäre Woidkes Erfolg noch größer gewesen. Und 41.000 einstige Nichtwähler konnten durch das erstmals antretende BSW zur Stimmabgabe motiviert werden.

WELCHE KOALITIONEN MÖGLICH SIND:

Die Sitzverteilung im neuen Landtag

Im kommenden Landtag haben die bisher Regierenden keine Mehrheit mehr.

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Die SPD gewinnt 7 Sitze hinzu und hat nun 32. Die AfD bekommt ebenfalls 7 Sitze mehr und hat nun 30. Die CDU verliert 3 Sitze und hat nur noch 12. Damit stellt sie die kleinste Fraktion im neuen Landtag. Denn das BSW kommt gleich im ersten Anlauf auf 14 Abgeordnete.

Zum einen verlieren SPD und CDU ihren bisherigen dritten Koalitionspartner, weil die Grünen es nicht mehr ins Parlament geschafft haben. Zum anderen verpassen sie äußerst knapp eine absolute Mehrheit. Sie kommen auf 44 und damit auf genau die Hälfte der Sitze.

Die anderen 44 Sitze bekommen AfD und BSW. Damit hätten die beiden zusammen auch rechnerisch keine Mehrheit.

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Das einzig mögliche Zweierbündnis mit einer rechnerischen Mehrheit wäre eine Koalition aus SPD und BSW. Sie kämen zusammen auf 46 Sitze.

Eine Dreier-Koalition aus SPD, CDU und BSW wäre auch denkbar. Aber da dieses Bündnis auch ohne CDU auskäme, wäre es unüblich. Zudem bliebe dann die AfD als einzige Oppositionspartei.

Hinzu kommt, dass die AfD aufgrund des Scheiterns der kleinen Parteien im Landtag mehr als ein Drittel der Sitze bekommen hat. Damit verfügen die Rechtsextremen über die sogenannte Sperrminoriät. Sie können alle Abstimmung, für die eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig ist, blockieren.

WAHLKREISKARTE: EIN WEITGEHEND BRAUNER TEPPICH:

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Die AfD gewinnt die meisten Wahlkreise

Nach Bekanntgabe der ersten Prognosen am Wahlabend hatte sich Ministerpräsident Woidke noch gefreut, dass Brandenburg keinen braunen Stempel bekommen habe. Der Blick auf die Wahlkreiskarte sagt aber etwas anderes.

Zwar konnte die SPD 19 Direktmandate gewinnen, vor allem im Westen und Süden des Landes. Alle anderen 25 Wahlkreise aber hat die AfD gewonnen.

Besonders bitter war für Woidke der Ausgang in seinem Wahlkreis Spree-Neiße I. Er kam genau wie AfD-Bewerber Steffen Kubitzki auf 41,5 Prozent der Erststimmen, wie die Landeswahlleitung mitteilte. Kubitzki erhielt jedoch 11.562 Erststimmen und damit sieben mehr als Woidke.

Gleich nebenan im Wahlkreis Spree-Neiße II kam die AfD auf ihr bestes Ergebnis. In dem vom Braunkohleabbau geprägten Gebiet südöstlich von Cottbus stimmten 46,5 Prozent der Wäh­le­r:in­nen für den Kandidaten der Rechtsextremen. Auch in vier weiteren Wahlkreisen lag die AfD bei über 40 Prozent der Erststimmen.

Auch im äußersten Nordosten des Bundeslandes, in den beiden Wahlkreisen der Uckermark, war die AfD besonders stark, hier kam sie auf jeweils über 39 Prozent.

Der Blick auf die Karte zeigt fast durchgängig: je weiter weg von Berlin, desto stärker die AfD. Das gilt auch für die Zweitstimmen. Hier lag die AfD nur in den Potsdamer Wahlkreisen unter 20 Prozent. Mit Abstand am schwächsten war die AfD in Potsdam I. Im Zentrum der Landeshauptstadt holte sie nur 10,7 Prozent.

DIE HOCHBURGEN DER PARTEIEN:

Den Grünen bleibt nur Potsdam

Das Wahldebakel der Grünen zeigt sich beim Blick auf die Grafik mit den Hochburgen der Parteien. Hier bleibt der bisherigen Regierungspartei genau eine: der Wahlkreis Potsdam I. In der Landeshauptstadt kam sie auf 17,0 Prozent der Zweitstimmen.

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Das ist mit großem Abstand das beste Resultat für die Grünen. Schon in ihrem zweitbesten Wahlkreis, Potsdam-Mittelmark III, kommen sie nur auf 9,7 Prozent.

Desaströs schnitten die Grünen an den Rändern des Bundeslandes ab. Ganz im Süden, im Wahlkreis Elbe-Elster II, konnten sie gerade 1,0 Prozent der Wäh­le­r:in­nen für sich begeistern.

Linke nur in drei Wahlkreisen über 5 Prozent

Die Linkspartei, die einst lange in Brandenburg mitregieren konnte, kam am Sonntag nur noch in drei Wahlkreisen über die 5-Prozent-Hürde. Ähnlich wie die Grünen war auch sie in zwei Potsdamer Wahlkreisen stark. Dazu kommt der Wahlkreis Barnim I mit der Stadt Eberswalde. Hier stimmten immerhin 6,2 Prozent für die Linke.

Extrem schwach war auch sie ganz im Süden Brandenburgs.

BSW am stärksten im Nordosten

Das Bündnis Sahra Wagenknecht konnte bei seinem ersten Wahlantritt in Brandenburg fast landesweit punkten. Am stärksten schnitt es aber im Nordosten ab. Im Wahlkreis Märkisch-Oderland II, in dem die Stadt Strausberg liegt, holte es mit 16,9 Prozent der Zweitstimmen das beste Ergebnis.

Auch in Frankfurt/Oder und in der Uckermark schnitt das BSW stark ab.

FDP ist eine kaum wahrnehmbare Splitterpartei

Die FDP wurde bei der Brandenburgwahl zur Splitterpartei degradiert. Sie landete mit nur noch 0,8 Prozent der Zweitstimmen noch weit hinter der Tierschutzpartei (2,0 Prozent) und sogar hinter der erstmals angetretenen Listenverbindung Plus, die auf 0,9 Prozent kam.

Unter den Splitterparteien rangiert auch die extrem rechte CDU-Abspaltung des einstigen Verfassungsschutzchefs Maaßen. Sie kam auf gerade 0,3 Prozent.

Neonazipartei „Der Dritte Weg“ erfolglos

Die Neonazi-Partei „Der Dritte Weg“ blieb mit 0,1 Prozent ein extremes Randphänomen. Aber rechtsextreme Wäh­le­r:in­nen hatten mit der AfD ja auch ein attraktives Angebot.

Am stärksten waren die Neonazis noch im Wahlkreis Prignitz I, in dem die Städte Perleberg und Wittenberge liegen. Aber auch dort kamen sie nur auf 0,4 Prozent der Zweitstimmen.

In und um Potsdam waren sie am schwächsten. Im Wahlkreis Potsdam I stimmten 14 Wäh­le­r:in­nen für die Nazis, das sind 0,03 Prozent.

Alte, Frauen und Brief­wäh­le­r:in­nen schützen vor AfD

Und hier noch ein paar Ergänzungen zur Wähleranalyse. Laut infrast dimap haben vor allem der sehr alten Wäh­le­r:in­nen Brandenburg vor einem Durchmarsch der AfD gerettet. Von den Über-70-Jährigen votierten demnach nur 17 Prozent für die Braunen. Bei allen anderen Altersgruppen kam die AfD auf mindestens 28 Prozent.

Lieblingspartei bei der Ü70 war mit großem Abstand die SPD. Sie konnte ihr 49 Prozent verbuchen.

Die AfD war hingegen bei den jüngsten Wäh­le­r:in­nen weit vorn. Bei den 16- bis 24-Jährigen holte sie 31 Prozent, 13 Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren. Die SPD kam in der gleichen Gruppe nur auf 19 Prozent.

Auffällig ist weiterhin auch der große Unterschied bei den Geschlechtern. Währen 35 Prozent der Männer die AfD wählten, waren es nur 24 Prozent der Frauen.

Extrem sind auch immer noch die Unterschiede zwischen Brief- und Urnenwähler:innen. Bei denjenigen, die am Sonntag in Wahllokalen abstimmten, holte die AfD laut Landeswahlleiter 34,8 Prozent. Von den Brief­wäh­le­r:in­nen machten nur 17,5 Prozent, also knapp die Hälfte ihr Kreuz bei der AfD.

Bei den Brief­wäh­le­r:in­nen konnten vor allem CDU, Grüne und BSW punkten. Sie holten hier jeweils rund 50 Prozent mehr Stimmanteile als bei den Urnenwähler:innen. Hätten nur die Briefwahlstimmen gezählt, wären die Grünen mit 5,2 Prozent wieder in den Landtag eingezogen.

Bei SPD und Linken war der Unterschied nicht so auffällig.

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