AfD-Erfolg in Brandenburg: Es gibt nichts zu feiern

Mit radikalen Parolen wird die AfD in Brandenburg Zweite und hat eine Sperrminorität. Auf die demokratische Zivilgesellschaft kommen raue Zeiten zu.

Demonstrierene gegen die AfD in Potsdam

Ihnen ist die Gefahr bewusst: Demonstrierende gegen die AfD in Potsdam Foto: Christoph Soeder/ dpa

Niemand konnte die Warnungen überhören. Die AfD greife das demokratische, freiheitliche System an, mahnten die Kirchen und der Zentralrat der Juden vor den Wahlen. Die Partei sorge für einen ökonomischen Abstieg, warnten Wirtschaftsvertreter*innen. Ein Wahlsieg könne für einen „Flächenbrand rechter Gewalt“ sorgen, zeigten sich Opferverbände alarmiert.

Am 22. September wählt Brandenburg einen neuen Landtag. Seit mehr als elf Jahren regiert Ministerpräsident Dietmar Woidke, zurzeit in einer rot-schwarz-grünen Koalition. Woidke tritt zum dritten Mal als SPD-Spitzenkandidat an. Bei der Wahl setzt er alles auf eine Karte. Wenn die AfD stärkste Kraft wird, sei er weg.

In einer Umfrage vom 9. bis 11. September sah infratest die AfD mit 27 Prozent vorn, aber die SPD ist den Rechtspopulisten mit 26 Prozent dicht auf den Fersen. CDU 16 %, BSW 13 %. Grüne und Linke könnten an der Fünfprozenthürde scheitern.

Und nun ist die AfD auch nach der Landtagswahl in Brandenburg knapp zweitstärkste Kraft, hält im Landtag eine Sperrminorität – nachdem sie zuvor schon in Thüringen und Sachsen Wahlerfolge einfuhr. In einem Landtag, in dem künftig keine Grünen, Linken und Freien Wähler mehr sitzen werden. In dem die SPD nur noch mit dem BSW regieren kann – oder in einer Minderheitenregierung mit der CDU. Wo die AfD dann die einzige Opposition bliebe. Es gibt nichts zu feiern.

Ja, die SPD hat in Brandenburg am Ende noch das Ruder rumgerissen, wurde doch erneut vor die AfD an die Spitze gewählt. Aber Ministerpräsident Dietmar Woidke hat mit seiner „Ich oder die AfD“-Kampagne für einen hohen Preis gesorgt. Einen Preis, den nun Linke, Grüne und Freie Wähler zahlen – deren Wäh­le­r*in­nen vielfach Woidkes Aufruf folgten und zur SPD abwanderten. Aber vor allem einen Preis, den am Ende die demokratische Zivilgesellschaft zahlen wird.

Denn so ist die AfD auch als Zweitplatzierte eine Gewinnerin dieser Wahl. Sie hat erneut Stimmen dazugewonnen, hat wieder bei jungen Wäh­le­r*in­nen gepunktet. Und auch wenn die Partei nicht mitregieren wird, braucht sie nur genüsslich zuzuschauen, wie die von ihr geschmähten „Kartellparteien“ jetzt zueinanderfinden und Differenzen überwinden müssen. Und die AfD wird ihre Sperrminorität zu nutzen wissen, um diese Parteien wahlweise zu blockieren oder vor sich herzutreiben. Und sie kann dies längst auf allen Ebenen tun, stellt auch in den Kommunen inzwischen vielfach die stärksten Fraktionen.

Nichts spricht für Mäßigung

Die AfD hat ihre Wirkmacht wieder ein Stückchen weiter ausgebaut. Und sie hat das – man kann es nicht oft genug betonen – mit offen rechtsextremen Inhalten geschafft. Der Brandenburger AfD-Verband gehört zu den radikalsten, er „verspricht“ eine „millionenfache Remigration“, knüpft seit Jahren Netzwerke mit Neonazis, spricht eine Sprache der Gewalt, eine Abgeordnete verteilte im Wahlkampf Stichwaffen, sie hat der linken Zivilgesellschaft den Kampf angesagt. Dass für dieses Programm 29 Prozent der Wählenden stimmten, dass 81 Prozent erklärten, für sie stehe die AfD „in der Mitte“, ist schon kein Alarmzeichen mehr. Es zeigt, wie beängstigend abgeschlossen die Normalisierung der Partei längst ist.

Und nichts spricht für eine Mäßigung dieser Partei: Bereits ab Donnerstag, wenn sich in Thüringen der neue Landtag konstituiert, dürfte die AfD wieder mit Machtspielen aufwarten. Und der Blick der Partei richtet sich ohnehin bereits auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr, wo sich die AfD mit den Erfolgen ihres radikalen Kurses in den jüngsten drei Wahlkämpfen bestätigt sehen dürfte.

Ein Kurs, der schon jetzt konkret eine Bedrohung für die Menschen ist, die ins Feindraster der AfD fallen. Und das sind nicht wenige. Schon zuletzt verzeichneten die Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt Höchstzahlen an Übergriffen, schon zuletzt kapitulierten Leh­re­r*in­nen in Brandenburg vor rechtsextremen Parolen, schon heute will die AfD dem Landesjugendring oder dem Programm „Tolerantes Brandenburg“ die Gelder kürzen. Die Sorgen derjenigen, die die AfD ins Visier nimmt, waren vor den Wahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen allgegenwärtig.

Zivilgesellschaft braucht ein Sicherheitsversprechen

Es ist nun an den demokratischen Parteien, diesen Menschen ein klares Signal zu senden: Wir sehen eure Sorgen, wir tun etwas dagegen, wir geben euch ein Sicherheitsversprechen. Wir stehen hinter eurer Arbeit für Vielfalt und Demokratie und unterstützen diese offensiv. Und wir sind uns darin einig, alles zu tun, um die Rechtsextremen von der Macht fernzuhalten und sie nicht noch weiter aufzuwerten.

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Dass hier nun mit den Linken und Grünen zwei Parteien fehlen, die dafür eintreten, ist ein weiterer Rückschlag. Und dass sich die anderen Parteien zuletzt von der AfD treiben ließen, dass Woidkes SPD Anti-Migrations-Sprüche zum Hauptthema im Wahlkampf machte, dass CDU-Innenminister Michael Stübgen eine Abschaffung des individuellen Asylrechts forderte, weist auch in eine andere Richtung. Ebenso, wie wenig Themen angesprochen und angegangen wurden, die tatsächlich drängen: nötige Investitionen in Bildung, fehlende Ärzt*innen, abgehängte Dörfer. Aber gerade die SPD mit ihrem Anti-AfD-Wahlkampf hat jetzt eine Verantwortung.

Alles verloren? Nein. Denn auch am Sonntag gab es Hoffnung. In Cottbus etwa, langjährig eine rechte Hochburg, wo der junge Sozialdemokrat und Bergmann Lars Katzmarek mit 38 Prozent einem AfD-Rechtsextremen das Direktmandat abrang. Oder in Strausberg, Neuruppin, Müncheberg und anderswo, wo Engagierte seit Jahren in Brandenburg Projekte für Vielfalt betreiben. Diese Orte, dieses Engagement zu erhalten, es zu stärken, das muss nun das Ziel sein. Und dann von dort aus diejenigen zu aktivieren, die im Frühjahr schon einmal für die Demokratie auf der Straße waren, auch in Brandenburg. Die zwei Drittel, die eben nicht ihr Kreuz bei den Rechtsextremen machen.

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Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).

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