Österreich wählt: Nur für den Kickl?

Laut allen Umfragen wird die FPÖ die Nationalratswahlen in Österreich gewinnen. Doch ob Herbert Kickl Kanzler wird, ist noch ungewiss.

Herbert Kickl und Mitglieder der FPÖ stehen bei einer Wahlkampfveranstaltung auf einer Bühne und schwenken Fahnen

Spitzenkandidat Herbert Kickl (Mitte) will Österreich nach ungarischem Vorbild umbauen Foto: Leonhard Foeger/Reuters

Wien taz | Fünf Jahre ist es her, dass die rechtsradikale Freiheitliche Partei Österreichs nach dem Ibiza-Skandal aus der Regierung flog und bei den anschließenden Parlamentswahlen von 26 auf 16 Prozent einbrach. Doch das ist wohl Schnee von gestern. Seit mehr als anderthalb Jahren führt die FPÖ alle Umfragen an, kurz vor der Wahl am 29. September steht sie bei rund 27 Prozent, 2 bis 3 Prozentpunkte vor der konservativen ÖVP. Schon bei der EU-Wahl im Juni landete sie auf Platz eins. Entsprechend siegessicher zeigt sich FPÖ-Spitzenkandidat Herbert Kickl.

Sein erklärtes Ziel ist es, „Volkskanzler“ zu werden. Also einer, der für die Bevölkerung und nicht für das verhasste „System“ arbeitet, wie es heißt. Dabei saß Kickl ab 2006 jahrelang im Nationalrat, fungierte von 2017 bis 2019 als Innenminister und ist seither Parteivorsitzender der FPÖ – also seit Jahren Teil des politischen Systems. Und dass der Begriff „Volkskanzler“ von den Nazis als Bezeichnung für Hitler benutzt wurde, spielt die FPÖ beständig herunter.

Was kommt auf Österreich zu, wenn die FPÖ regiert?

Es besteht kein Zweifel daran, dass Herbert Kickl Österreich zum illiberalen Staat umbauen will. „Machen wir es dem Orbán nach“, lautet das Motto. Die FPÖ will Österreich „vor Übergriffen der EU, der WHO, des Weltklimarates“ schützen. Das FPÖ-Programm ist mit „Festung Österreich – Festung der Freiheit“ überschrieben. So sollen keine Geflüchteten mehr aufgenommen und der Zugang von Asylbewerbern zum Sozialsystem eingeschränkt werden. Beides wäre wohl verfassungs- und menschenrechtswidrig, weshalb Kickl zu „Notgesetzen“ greifen will. Bei „nachhaltiger Integrationsverweigerung“ soll Zugewanderten die österreichische Staatsbürgerschaft wieder entzogen werden.

Die FPÖ fordert überdies eine „Meldestelle gegen politisierende Lehrer“, die „die gebotene Neutralität vermissen lassen“. Gemeint sind etwa Lehrpersonen, die „einseitig“ über den menschengemachten Klimawandel unterrichten.

Auch die Medien will die FPÖ stärker auf Linie bringen. Für Zeitungen soll es etwa eine neue Förderstruktur „unabhängig von ideologischen Festlegungen“ geben. Schon jetzt hat sich die FPÖ ihren eigenen Kosmos an eigenen oder parteinahen Medien aufgebaut, wie FPÖ TV über unzensuriert.at. Sie sollen künftig wohl auch von den in Österreich üppigen Regierungsinseraten profitieren. Auch den ORF möchte die FPÖ unter ihre Kontrolle bringen.

Die FPÖ will überdies die österreichische Neutralität beibehalten und russlandfreundlich auslegen. Etwa durch den fortgesetzten Bezug von russischem Erdgas, das noch immer fast 90 Prozent der österreichischen Gasimporte ausmacht. Ähnlich wie Viktor Orbán in Ungarn will Kickl auch ein Ende der Sanktionen gegen Russland und im Europäischen Rat entsprechend abstimmen.

Wie stehen die Chancen, dass Herbert Kickl Bundeskanzler wird?

Selbst im Falle des vorhergesagten Wahlsiegs dürfte Herbert Kickl eher nicht Kanzler werden. Erstens, weil es dem Bundespräsidenten laut Verfassung freisteht, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt. Dabei ist es zwar gelebte Praxis, dass er den stimmenstärksten Kandidaten beauftragt – ob sich Präsident Alexander van der Bellen (Grüne) daran gebunden fühlt, hängt wohl vom Wahlergebnis ab. Liegt die FPÖ nur geringfügig vor der ÖVP, wäre es argumentativ leichter, die FPÖ zu übergehen.

Zweitens kündigt die ÖVP seit Monaten an, den ihrer Meinung nach „radikalisierten“ Herbert Kickl keinesfalls zum Kanzler zu machen. Dazu kommt, dass auch die nächstgrößeren Parteien SPÖ, Grüne und Neos eine Regierung mit der FPÖ kategorisch ausschließen. Möglich wäre jedoch, dass Kickl jemand anderem aus seiner Partei den Kanzlerposten überlässt und selbst allenfalls ein Ministeramt ausfüllt. Denn eine Regierung mit der FPÖ hat die ÖVP aus Verhandlungskalkül nie ausgeschlossen.

Denkbar ist auch, dass die ÖVP ihr zentrales Versprechen bricht und Herbert Kickl eben doch zum Kanzler macht. Schon in Niederösterreich und Salzburg ist sie, entgegen früherer Zusicherungen, mit der FPÖ in eine gemeinsame Landesregierung gegangen.

Auch der dritte Grund hat mit der ÖVP zu tun, die seit 37 Jahren durchgehend in Österreich (mit-)regiert. Sie ist in der bequemen Position, dass ohne sie kaum eine Mehrheit zustandekäme. Man kann davon ausgehen, dass die ÖVP lieber weiter den Kanzler stellt und mit der sozialdemokratischen SPÖ sowie einer dritten Partei – wohl den liberalen Neos – koaliert, statt Juniorpartner unter der FPÖ zu werden.

Dagegen spricht, dass die Regierungsverhandlungen für einen solchen Dreierbund alles andere als leicht würden. Wohingegen die Schnittmengen zwischen ÖVP und FPÖ größer denn je sind, weil die ÖVP zuletzt immer weiter nach rechts gerutscht ist. Schon ab 2017 saßen die beiden zusammen in einer durchaus harmonischen Regierung.

Welche Initiativen gibt es gegen die FPÖ?

Seit Monaten sind weite Teile der politisch interessierten Bevölkerung angesichts der konstant guten Umfragen für die FPÖ in einer Art Schockstarre. Gleichzeitig ist man in Österreich Wahlerfolge der Rechtsradikalen seit Jahrzehnten gewohnt, eine „Brandmauer“ existiert schon lange nicht mehr.

In letzter Zeit entwickelten sich aber einige Initiativen gegen den Rechtsruck. Für viele ist das gleichbedeutend mit einer Stimme für Andreas Babler, den dezidiert linken Kandidaten der SPÖ. In Umfragen landete er zuletzt bei rund 20 Prozent. Die Gruppierung „Wir für Andi Babler“ etwa versammelt Persönlichkeiten aus Kultur, Forschung und Zivilgesellschaft. „Mit menschenverachtender Politik darf man niemals paktieren, unter keinen Umständen“, sagt der Schauspieler Klaus Maria Brandauer, der die Initiative unterstützt.

„Die FPÖ steht für eine Politik des Hasses“, heißt es von der Initiative „Demokratie wählen“, der unter anderem der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer (SPÖ) angehört. Ebenfalls mit prominenten Testimonials arbeitet „Demokratie und Respekt“, die zum Wahlgang aufrufen. Besonders breitenwirksam ist aber keine dieser Initiativen. Auch deshalb bleibt es, leider, bis zuletzt spannend.

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