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„Ohne taz wäre dieses Land echt arm“

Forschende der Universität Münster untersuchen seit vielen Jahren unser Publikum: Warum und wie liest es unsere Zeitung? Was möchten unsere Leser und Leserinnen? Eine zusammenfassende Würdigung

Von Bernd Blöbaum
und Bernadette Uth

Die taz und ihr Publikum – das ist in der deutschen Medienlandschaft eine besondere Beziehung. Dies zeigt auch die jüngste umfangreiche Befragungswelle von taz-Leser:innen: Zwölf verschiedene Nutzer- und Kündigergruppen erhielten zwischen November 2023 und April 2024 umfangreiche Fragebögen. Die Antworten von 23.750 Personen gingen in die Auswertung ein (herzlichen Dank für die Teilnahme!); extrem hohe Rücklaufquoten von bis zu fast 50 Prozent bei den Abon­nent:in­nen zeigen ein enorm starkes Interesse daran, die taz in ihrer weiteren Entwicklung zu unterstützten. Über 1.000 Seiten mit Antworten auf offene Fragen, davon über 300 Seiten mit Lob, Kritik und Anregungen, dokumentieren: Das Projekt taz ist für viele eine Herzensangelegenheit.

Das Fundament der Bindung an die Angebote der taz ist ihr Journalismus. Dieser liefert, was Le­se­r:in­nen von ihrem Medium publizistisch erwartet haben: Hintergrundberichterstattung zu aktuellen Themen und Ereignissen in verschiedenen Bereichen, etwa Inland, Ausland, Klima, Energiewende, extreme Rechte und viele mehr, aber auch vertiefende Recherche und Reportagen. Die taz wird rezipiert wegen ihres tazzigen Blicks, ihrer taz-Haltung – etwas, das man auch von einer künftigen taz-News-App stärker erwarten würde als etwa hohe Aktualität.

Das publizistische Profil ist sehr eng verwoben mit dem Projekt taz. Befragte schätzen es erstens, weil es dem taz-Journalismus Konzernunabhängigkeit sichert, zweitens, weil es ihren Vorstellungen von Solidarität und alternativer Vergemeinschaftung entspricht, und drittens, weil sie beim Projekt taz ihre politische Haltung wiederfinden (zwei Drittel wählen grün, etwa 15 Prozent links).

Egal wie Befragte den Journalismus der taz nutzen, sei es als Printabonnent:in, als wochentaz-Abonnent:in, durch taz.de oder sei es, dass sie die taz ­freiwillig durch taz zahl ich unterstützen: Die Erwartungen an die taz, die politischen Haltungen und der Blick auf das Projekt taz sind in allen Befragungsgruppen gleich. Sogar diejenigen, die Abos gekündigt haben, unterscheiden sich hier nicht von neuen Abon­nen­t:in­nen oder solchen, die bereits seit über 20 Jahren für ein Abo bezahlen.

Das Profil der taz-Leserschaft hat sich in den vergangenen Jahren nur in einer Hinsicht geändert: Man ist älter geworden. Der Altersmittelwert liegt mit rund 64 Jahren bei den Prin­t­abon­nen­t:in­nen am höchsten, die wochentaz-Abonnent:innen sind etwas jünger (58 Jahre); mit taz.de werden verhältnismäßig viele Jüngere angesprochen (Altersschnitt: 50 Jahre). Das Publikum ist formal extrem hoch gebildet (um die 80 Prozent mit abgeschlossenem Studium) und verfügt über recht hohe Haushaltseinkünfte.

Ein sehr großer Teil kündigt an, zum Kombi-Abo wechseln zu wollen

Die taz wird wertgeschätzt – trotzdem werden Abos gekündigt, Probe- und Geschenkabos nicht verlängert. Wir wollten wissen: Warum? Der dominant genannte Kündigungsgrund ist Zeitmangel. Das taz-Angebot lässt sich oft schwer in die täglichen Abläufe integrieren, auch weil viele ihren Alltag als hektisch empfinden. Ein zweiter Grund: Das Produkt taz ist einigen angesichts ihrer aktuellen finanziellen Lage mittlerweile zu teuer. In den offenen Antworten finden sich oft nahezu entschuldigende Formulierungen dafür, warum man ein taz-Abo gekündigt hat. Nicht wenige kündigen an, irgendwann wieder ein Abo zu zeichnen, vor allem, wenn es ihnen finanziell besser geht und sie mehr Zeit haben. Inhaltliche Kündigungsgründe werden vergleichsweise selten genannt, noch seltener mangelnder Service der taz.

Die relativ neu konzipierte wochentaz wird im Vergleich zur Werktagsprintausgabe als geringfügig politisch und inhaltlich leichter empfunden, ohne dass dadurch die Wertschätzung für einzelne Elemente leidet. So kommt etwa das Ressort „Zukunft“ gut an, in ihr vorfindliche lange Texte werden gelesen, reflektiert und mit anderen diskutiert. Es zeigt sich: Die wochentaz etabliert sich als Medium, das über das Wochenende hinaus an mehreren Tagen gelesen wird.

Kommen wir zur Gruppe von taz zahl ich. Befragte geben an, daran teilzunehmen, weil ihnen vor allem wichtig ist, dass allen der Zugang zur täglichen, tazzigen Berichterstattung ermöglicht wird und die Vielfalt der Medienlandschaft erhalten bleibt. Das ist in der publizistischen Landschaft ein sehr besonderes Modell. Während andere Medien Inhalte hinter eine Bezahlschranke platzieren, setzt die taz auf Nutzende, die freiwillig einen Beitrag bezahlen, um publizistische digitale Angebote für alle zu ermöglichen.

Kaum ein Thema beschäftigt (traditionelle) Medien seit Jahren so intensiv wie die Transformation von gedruckten zu digitalen Angeboten. Die Befragung zeigt: Die digitale Transformation fällt vielen Print-Abonnent:innen schwer, weil sie an der gedruckten Form hängen. Allerdings stehen sie der angekündigten Umstellung auf eine digitale taz von Montag bis Freitag und einer gedruckten wochentaz am Samstag inzwischen deutlich aufgeschlossener gegenüber als noch vor drei Jahren. Ein sehr großer Teil kündigt an, zum Kombi-Abo wechseln zu wollen. Die Befragten wünschen sich eine Begleitung beim Umstieg auf digitale Ausgaben, etwa durch eine Telefonhotline.

Format­unabhängig: Die Zukunft der taz trägt durch die anhaltend starke Bande mit Ihnen Illustration: Julia Molin

Zugleich sind die von der taz kommunizierten Argumente für die Seitenwende für viele gut nachvollziehbar. Zustellprobleme werden häufig bei aller Zufriedenheit mit der Lieferung auch in den offenen Antwortfeldern thematisiert. Sie sind bereits heute für viele ein Grund, zum Kombi- oder Digi-Abo zu wechseln. Und wer heute schon ein Kombi-Abo mit Digi-taz werktags und der papiernen wie digitalen wochentaz hat oder gar das reine Digi-Abo, der führt sehr häufig ökologische Gründe an (weniger Papier). Als weiteres dominantes Motiv für den Abowechsel geben Leute an, dass die digitale Ausgabe praktikabel für das Lesen unterwegs ist.

Insgesamt liefern die Befragungen ein Bild tiefer Zuneigung zwischen Leserschaft und dem Projekt taz. Fundament dieser engen Beziehung sind die journalistischen Leistungen und die publizistische Haltung der taz. Bei aller Wertschätzung („Weiter so!“) gibt es auch vereinzelt Kritik (zu viel Gender und Identität) und Hinweise darauf, was man vermisst (manche wünschen ein TV-Programm in der wochentaz, andere mehr Rätsel oder mehr Regionales). Auch die Befragungen ernten gelegentlich Kritik (zu lang, zu persönliche Fragen), werden aber auch als Kommunikationskanal gesehen: „Dankeschön für die Möglichkeit, durch diese Umfrage meine Meinung mitzuteilen. Ich hoffe, es hilft euch weiter. Liebe Grüße.“

Die Beziehung zwischen taz und Publikum ist seit 1993, als wir die erste Leserbefragung gemacht haben, erstaunlich stabil. Die taz erfüllt als journalistisches Medium die Erwartungen eines alternativen Milieus mit einem tazzigen Blick auf die Welt. In der deutschen Medienlandschaft ist die taz, getragen von ihrem Publikum, eine Erfolgsgeschichte. Oder wie eine Person noch bei den Antworten notierte: „Ohne taz wäre dieses Land echt arm.“

Bernd Blöbaum ist Senior­professor am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster. Er macht seit 1993 Befragungen für die taz. 2022 erschien von ihm das Buch: „Vertrauen, Misstrauen und Medien“.

Bernadette Uth ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikations­wissenschaft der Universität Münster. 2022 erschien von ihr eine Analyse zur Vertrauens­bildung im Tageszeitungs­journalismus: „Hochwertig, Transparent, Publikumsnah“.

Die Ergebnisse der Befragung: taz.de/befragungen.