Das Problem mit Plastikmüll: Was lässt sich gut recyceln?
Exxon Mobil wird verklagt, weil die Firma lange fälschlicherweise behauptet hat, man könne alles Plastik recyclen. Was heißt das für den Klimaschutz?
Was für eine Nachricht: Der Ölgigant Exxon Mobil wird angeklagt – vom Staat Kalifornien. Noch ist nicht klar, um wie viele Milliarden es gehen soll, aber der Streitwert dürfte gigantisch sein. Denn Exxon wird vorgeworfen, „ein halbes Jahrhundert“ gelogen zu haben. Wider besseres Wissen habe der Konzern seit den 1970er Jahren behauptet, dass sich alles Plastik recyceln lasse. Stattdessen wurde es meist verbrannt oder aber in Flüsse und Ozeane geschwemmt.
Es klingt wie späte Gerechtigkeit, wenn endlich einmal ein Ölgigant zur Rechenschaft gezogen wird. Aber der Fall Exxon ist weit mehr als nur ein Disput zwischen Staat und Multi. Denn die kalifornische Staatsanwaltschaft hat zwei Jahre lang wissenschaftlich recherchiert, bevor sie nun ihre Anklage in San Francisco eingereicht hat.
Diese Akribie dürfte für die gesamte Chemiebranche unangenehm werden, weil sich zeigte, dass selbst das modernste Recycling nicht gut funktioniert. Auf dieses „chemische Recycling“ setzt aber auch die deutsche Chemieindustrie, um irgendwie klimaneutral zu werden. Denn bisher landen auch in Deutschland die meisten Kunststoffe in der Müllverbrennungsanlage, wo sie zwar Wärme und Strom erzeugen – aber auch ganz viel CO2.
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Doch von vorn: Exxon Mobil ist der weltgrößte Hersteller von Polymeren, aus denen dann Plastik entsteht. Auf seinen Produkten hat Exxon immer munter das universale Recyclingsymbol angebracht, obwohl bisher nur etwa fünf Prozent der Kunststoffe wiederverwendet werden. Zudem hat Exxon behauptet, es würde „fortschrittliches“ Recycling nutzen. Dahinter verbirgt sich die sogenannte Pyrolyse, die die Polymere in kleine chemische Einheiten aufbricht, sodass diese wieder zu neuen Kunststoffen zusammengesetzt werden können.
Pyrolyse klingt wie der perfekte Kreislauf, benötigt jedoch enorme Mengen an Energie. Es war daher immer ein Rätsel, wie Exxon eigentlich wirtschaftlich arbeiten will, wenn der Konzern gleichzeitig auf chemisches Recycling setzt. Die Lösung hat jetzt die kalifornische Staatsanwaltschaft geliefert: Exxon betreibt fast gar keine Pyrolyse – sondern redet nur davon.
Klimaschutz und Chemieindustrie gehen nicht zusammen
Die Klage gegen Exxon ist richtig, Lügen müssen bestraft werden. Trotzdem wäre Häme falsch. Denn Exxon hat nicht nur geschummelt, um billig große Gewinne einzufahren. Der Konzern war auch ratlos, wie er ehrlich Klimaschutz betreiben soll, weil das umfassende Recycling von Kunststoffen technisch an Grenzen stößt und ökonomisch nicht rentabel sein kann.
Die Konsequenz ist eindeutig: Klimaschutz wird nur funktionieren, wenn wir uns von großen Teilen der Chemieindustrie verabschieden. Für Deutschland ist das keine frohe Botschaft, denn hierzulande arbeiten etwa 480.000 Menschen in der Chemie- und Pharmabranche. Standorte wie Ludwigshafen oder Leverkusen lassen grüßen.
Immerhin: Die Klage gegen Exxon könnte dazu führen, dass mehr Ehrlichkeit in die Debatte kommt – auch in Deutschland. Schließlich klebt auch hier auf jedem Kunststoff das Recycling-Symbol und stehen überall gelbe Tonnen, deren Inhalt allzu oft auf dem Weg in die Müllverbrennung ist.
Wiederverwertung ist schwierig, aber es gibt eine Ausnahme: diese Kolumne. Sie muss leider eine längere Pause machen, weil bei mir andere Projekte drängen und nicht mehr ignoriert werden können. Aber „Cash & Crash“ ist ein so schöner Titel, dass er bestimmt recycelt wird. Nur der Zeitpunkt ist noch offen.
Leser*innenkommentare
Reiner Schwope
In Nordkorfu sind wir Recyclingmeister von Griechenland. Ich versuche zudem weniger zu recyclen und mehr zu vermeiden. Das ist aber sehr schwierig, auch wenn ich möglichst wenig verpackt einkaufe. Mich wundert immer die Menge der Stoffe, die ich zum Recycling bringe. Und das meiste ist wirklich Plastik. Ich erinnere mich noch gern an das Brutterbrotpapier, welches wir mehrfach nutzen in meiner Kindheit. Da frage ich mich: Werde ich nostalgisch nach dem Motto, früher war alles besser oder ist es heute wirklich ein viel zu viel?
Martin Rees
Ohne technische und biologische Innovation wird's nicht gehen: Nur eine Vision?
/
"Mikroorganismen zersetzen Plastik
Können Bakterien unser Müllproblem lösen?
Stand: 18.05.2023 08:35 Uhr
Forscher haben in der Arktis und den Alpen neue Mikroorganismen entdeckt, die Plastik zersetzen können - und das auch bei niedrigen Temperaturen."
Bei tagesschau.de
Jalella
"Für Deutschland ist das keine frohe Botschaft, denn hierzulande arbeiten etwa 480.000 Menschen in der Chemie- und Pharmabranche."
Das ist noch nicht mal die Katastrophe. Bei einem vernünftigen ökologischen Umbau, den freilich keine regierende Partei ernsthaft betreibt, könnte man schon eine halbe Million Menschen auch anders in Arbeit bringen. Das größere Problem ist, dass wir auf die Produkte angewiesen sind. Große Teile unserer Technik funktionieren nicht ohne Chemie. Und was passiert, wenn Medikamente knapp werden, haben wir alle schon erlebt.
Kommen Tier
Hatten die real-existierenden Planwirtschaften denn eine bessere Ökobilanz?
Philippo1000
Dann bis hierher vielen Dank für die vielen kompetenten Kommentare!
Am Besten ist wohl Kunststoffverbrauch zu reduzieren, das fängt beim Einkauf an.
Schließlich empfehle ich die Ribeck Methode:
mittels einer Birne dürfte sich unser individuelles Ableben und umformen in einen Baum, aus Umweltsicht, als Upcycling erweisen.
Stoffel
Haben die denn gelogen?
www.wdrmaus.de/fil...ichten/erdoel.php5
Gelogen eher nicht, nur maßlos übertrieben.