Hochstaplerin Anna Sorokin: Cha-Cha-Cha mit Fußfessel

Anna Sorokin wurde als Hochstaplerin und Betrügerin bekannt. Ihre Geschichte wurde verfilmt. Nun tanzt sie in der US-Sendung „Dancing with the Stars“.

Portrait von Anna Delvey

Anna Sorokin alias Anna Delvey am Montag, 23. September 2024, in Los Angeles, Kalifornien Foto: Bauer Griffin/getty images

BERLIN taz | Buntes Kostüm mit Fransen und Glitzersteinchen, hochhackige Schuhe – und eine Fußfessel. Anna Sorokin alias Delvey ist wieder da. In der US-Sendung „Dancing with the Stars“ tanzt sie einen Cha-Cha-Cha – oder bewegt sich zumindest eine Minute und sieben Sekunden lang einigermaßen gelenkig zu Musik. „Glanzlos“ nennt die New York Times ihren Auftritt. Tatsächlich sieht man der Performance an, dass die 33-Jährige zwar Glamour, aber keine Tänzerkarriere hinter sich – und wohl auch keine vor sich – hat.

Darum geht es auch nicht. Anna Sorokin wurde als Hochstaplerin und Betrügerin bekannt. Als vermeintlich reiche Erbin aus Deutschland schlich sie sich unter dem Namen Anna Delvey in die New Yorker High Society ein, zahlte Luxussuites, Schmuck und Designermode mit ungedeckten Kreditkarten und lieh sich Geld von Freund*innen, das sie nie zurückgab. Beinahe akquirierte Delvey Millionenkredite zur Gründung einer Stiftung. Um rund 275.000 US-Dollar soll sie Freund*innen, Banken und Hotels betrogen haben. Irgendwann flog sie auf, wurde festgenommen und zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Schließlich saß sie in Abschiebehaft – sie ist Deutschrussin, ihre Eltern leben in Deutschland. Netflix drehte die Miniserie „Inventing Anna“ über ihre Geschichte.

Im Oktober 2022 wurde Sorokin in den Hausarrest in New York entlassen. Wie schon vor ihrer Haftzeit setzt sie sich seitdem wieder auf ihren Social-Media-Kanälen in Szene: Sorokin im Stile Audrey Hepburns mit Sonnenbrille und Kopftuch im Jeep, Sorokin vor einer Bücherwand, Sorokin im weißen Kleid als verkörperte Unschuld vor malerischer Landschaft. Die elektronische Fußfessel, die sie seit ihrer Entlassung tragen muss, immer schön im Fokus.

Mittlerweile wieder auf freiem Fuß

Mittlerweile darf sie sich frei in New York bewegen, hat wieder eine US-amerikanische Sozialversicherungsnummer und darf arbeiten. Und ist nicht nur zurück im öffentlichen Leben, sondern auch zurückgekehrt zu ihren beruflichen Wurzeln: Nach dem Abitur 2012 arbeitete sie zunächst in einer PR-Agentur, ging dann für ein Praktikum beim Mode-, Kunst- und Kulturmagazin Purple nach Paris und reiste 2013 zur Fashion Week nach New York. Zehn Jahre später hat sie gemeinsam mit Kelly Cutrone – die FAZ nennt sie „Mode-PR-Ikone“ – die PR-Agentur OutLaw gegründet und eine Show auf der Fashion Week organisiert. Win-win für beide Frauen, deren Erfolgskonzept Sichtbarkeit ist. Mittlerweile lebt Delvey aka Sorokin sogar im Haus von Cutrone.

Die Tanzshow sieht sie als „zweite Chance“ für sich. Sie wolle auf keinen Fall ihre Straftaten als glamourös darstellen und niemanden glauben machen, dass das ein guter Weg sei, um berühmt zu werden. Dass es allerdings genau ihr Weg war und ist, Berühmtheit zu erlangen, und dass der Sender ABC ihr dafür im wahrsten Sinne des Wortes eine Bühne bietet, sorgt für Kritik.

Dabei gehe es doch einzig und allein ums Tanzen, sagt eine Jurorin in der Show. Der Sender verkitscht Anna Delveys Geschichte als Betrügerin auf seiner Webseite: Sie ist dort „eine Künstlerin, eine Fashion-Ikonin und eine berühmte New Yorker Persönlichkeit“. Ihr Fall habe „Diskussionen über Reichtum, Privilegien und sozialen Aufstieg“ ausgelöst. Die USA lieben eben Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Märchen.

Sorokin scheint angekommen zu sein. Da, wo sie hinwollte, in der New Yorker Glamour-World. Hochstapeln muss sie dafür heute nicht mehr, ihre frühere Hochstapelei macht aber ­einen Teil ihres Faszinosums aus.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben