Debattenaufschlag zur Zukunft der Linken: Die Rückkehr der Kiezkümmerer

Wege aus der Krise: Die Berliner Linke will künftig auf verstärkte Vernetzungsarbeit und Vor-Ort-Hilfe in sozial benachteiligten Vierteln setzen.

Das Bild zeigt Parteifahnen der linken

Da sind wir aber immer noch: Die Berliner Linke sagt, sie hat einen Plan für die Zukunft

BERLIN taz | Nach dem Abgang von Sahra Wagenknecht und ihren Getreuen zeigten sich weite Teile der Linkspartei optimistisch. Der Tenor: Ohne Wagenknecht kein Streit, und ohne Streit kann es wieder aufwärtsgehen. Das Gegenteil ist eingetreten.

„Da braucht man nicht drum herumreden“, sagt Anne Helm, die Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus. Die Krise der Partei habe sich mit den drei desaströs verlaufenen Wahlen im Osten sogar deutlich verschärft. „Das ist für uns kreuzgefährlich.“

In Berlin wollen die Vorsitzenden von Partei und Fraktion nun gegensteuern. In einem am Dienstag präsentierten Papier werben sie dafür, wie zu besseren Zeiten wieder verstärkt in die Ortsteile mit sozialen Schieflagen auszuschwärmen – und die ebendort formulierten Proteste gegen die Politik des Senats ins Parlament zu tragen. Sechs eng bedruckte Seiten, überschrieben mit „Solidarität organisieren: Eine neue linke Politik im Kiez“.

Im Kern geht es darum, angesichts der Mietenentwicklung und der erwarteten schwarz-roten „Kahlschlagpolitik“ die betroffenen Menschen vor Ort mit Angeboten zu unterstützen, mit Mie­te­r:in­nen­ver­samm­lun­gen und Sozialberatungen. Aber eben nicht überall, so Parteichef Maximilian Schirmer, „sondern dort, wo sich die Probleme stapeln“. Genannt werden das Märkische Viertel in Reinickendorf, die Thermometersiedlung in Lichterfelde oder Marzahn-Nord.

Verloren gegangene Strukturen

Zwar ist der Berliner Landesverband mit aktuell rund 7.590 Mitgliedern der stärkste bundesweit. In der bereits vor Jahren an die rechtsextreme AfD gefallenen ehemaligen Hochburg Marzahn-Nord aber zum Beispiel habe die Partei gar keine Strukturen mehr. Kommt schon wieder, heißt es sinngemäß von der Spitze. Denn, so Anne Helm: „Wir haben etwas, was etwa das BSW nicht hat: motivierte Mitglieder.“

So ganz neu ist die Stoßrichtung des Papiers nicht. Schon im November 2023 hatte der Landesparteitag eine Resolution beschlossen, in der die Berliner Linke ankündigte: „Unser Aufbruch für soziale Politik beginnt in den Kiezen.“

Passiert ist offenkundig seither nicht genug. Und die Zeit drängt. Die Aussichten der Linken bei der in einem Jahr anstehenden Bundestagswahl sind jedenfalls düster. In aktuellen Umfragen steht die Partei bundesweit bei katastrophal niedrigen 2,5 Prozent. Co-Parteichefin Franziska Brychcy formuliert es positiv: „Es kann jetzt nur nach vorn gehen.“

Unterdessen bringen sich in den Berliner Bezirken die ersten Linken für mögliche Direktkandidaturen bei der Bundestagswahl in Stellung. Nach der designierten Linke-Bundeschefin Ines Schwerdtner, die in der vergangenen Woche angekündigt hatte, im Wahlkreis Lichtenberg antreten zu wollen, warf nun Ferat Koçak im Wahlkreis Neukölln seinen Hut in den Ring.

Warum auch immer: In seinem Bewerbungsschreiben für die Kandidatur verzichtet der Sprecher für antifaschistische Politik der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus nicht nur auf ein Parteilogo. Auch der Parteiname findet bei Koçak nur einmal nebenbei Erwähnung – in Verbindung mit seinem eigenen Bezirksverband Neukölln.

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