Die Wahrheit: Tu nicht weinen um mich, Ossiland

Das Bündnis Sahra Wagenknecht will sich umbenennen – mit Zustimmung der Namensgeberin und Parteiführerin und unter Druck der Welt des Musicals.

Statuen von Stalin und Putin

Sind so kleine Vorbilder: Stalin, Putin … Foto: AP

Es ist vollbracht. Mit der dritten Landtagswahl in Dunkeldeutschland in diesem unsicheren Jahr 2024 hat sich das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) als nicht mehr wegzumogelnde Kraft in der politischen Landschaft der Bundesrepublik Deutschland etabliert. Eine zweistellige Zahl von Wählern folgt der glühenden Putinistin und ihrer nationalquarkistischen Politik, die ganz nach den Wünschen Moskaus ausgerichtet ist und vom Kreml in höchsten Tönen gelobt wird. Eine Nachricht wäre da allerdings fast untergegangen: Das BSW wolle sich nach der Bundestagswahl umbenennen, gab die Namensgeberin jüngst bekannt.

„Nach der Bundestagswahl wollen wir das ändern“, sagte die Dutt-Tante ganz bescheiden der Saarbrücker Zeitung. Derzeit gebe es aber noch „Tausend andere Dinge zu lösen und zu tun“, sodass noch kein neuer Name gefunden worden sei. Was das wohl für andere Dinge sind, versuchen investigative Journalisten seither zu ergründen, aber die Wahrheit hat längst aus gewöhnlich gut unterrichteten Wagenburgkreisen erfahren, was im Hintergrund vor sich geht.

Der BSW ist seit den argentinischen Peronisten die erste Partei der Geschichte, die sich nach ihrem Parteiführer nennt. Nicht einmal Stalin wagte es auf dem Höhepunkt seiner Macht, der glorreichen Kommunistischen Partei der Sowjetunion seinen Nome de guerre aufzudrücken. Mehr Personenkult geht eigentlich kaum mehr. Aber Sahra Wagenknecht ist die Herostratin unserer Zeit. Sie zerstört die Demokratie um des Zerstörens willen. Im Verbund mit der rechtsextremistischen Partei Abschaum für Deutschland (AfD) will sie die verhasste BRD von der Landkarte tilgen.

Wagenknechts Vorbilder sind neben Juan und Eva Peron Väterchen Josef und vor allem ihr Gatte Oskar Lafontaine, der ja auch schon die eine oder andere Partei über die Klippe in den geschichtlichen Abgrund schubsen wollte. Was er nicht vollbrachte, will sie vollenden. Und dieser kunterbunte Diktatorenmischmasch ist es auch, der der inzwischen „Zarenknecht“ gerufenen Führerin Sorgen bereitet. Nicht wegen der Diktatoren, aber wegen deren populärkulturellen Ausstrahlung. Denn kein geringerer als der mindestens weltberühmte Melodeienschmied Andrew Lloyd-Webber ist auf die charismatische Thüringerin aufmerksam geworden und möchte ihr ein letztes Musical zu Füßen legen.

Patin eines Musicals

Wie der Guardian berichtet, habe Lloyd-Webber Kontakt zu Wagenknecht aufgenommen, um sie davon zu überzeugen, Patin des großen Musicals „Sahra“ zu werden. Der mittlerweile 76-jährige Brite wolle seine Trilogie starker Frauen vervollkommnen, nach „Evita“ und „Cats“ solle „Sahra“ sein Alterswerk abrunden.

Ähnlich wie bei „Evita“ werde wieder eine hoch erregende und umstrittene Prima politina im Mittelpunkt stehen. Mit der letzten Kraft seines Musikcomputers und der Hilfe von künstlicher Intelligenz werde er der ostdeutschen Lichtgestalt wenigstens einen Welthit auf den Astralleib schreiben. „Don’t cry for me, Argentina“ wäre nur ein schlapper Burner gegen „Nu, kuckema do, tu nich weinen um mich, Ossiland“, wie der Arbeitstitel des Polkaschlagers lautet.

Wer aber wird auf der Bühne und vor allem in der Verfilmung des brisanten Stoffs die „Sahra“ geben? Noch einmal Madonna? Oder Adele? Oder Helene Fischer? Wer trägt Sahras kronengleichen Dutt mit ähnlicher Würde wie die Queen of East?

Vibrieren bis Saarbrücken

Die Drähte der Künstleragenturen zwischen New York, London und Erfurt glühen, und ihr Vibrieren ist bis in die Zentrale der BSW-Macht Saarbrücken zu spüren. Und da geschieht das Unfassbare! Selbst der Megalomanin Sahra Wagenknecht ist das Ganze peinlich. In Stalin’scher Tradition möchte sie sich plötzlich vornehm zurückhalten. Oder ist es so, wie interne Kenner kolportieren, dass Wagenknecht nicht von jemand anderem dargestellt werden möchte? Sie sei sie. Punkt.

Und es gibt noch einen Grund, warum die sonst gar nicht schüchterne Fernsehnase ersten Ranges nicht mehr namentlich für „den ganzen Scheiß“ stehen will, wie sie das bestens informierte Boulevardblatt Bunte zitiert. Denn ihr Mann Oskar, mit dem sie seit 2014 verheiratet ist, dränge darauf, dass sie endlich seinen Namen annehme, damit er auch in die Geschichte eingehe.

Schon steht Ersatz bereit, denn was die meisten Beobachter gar nicht wissen: Sahra Wagenknecht ist gar nicht alleinige Parteivorsitzende. Die ebenfalls ehemalige Linke Amira Mohamed Ali ist Co-Chefin. Und die betreibt schon seit Längerem ein hinterlistiges Namensspiel. Mohamed Ali wolle sich endlich einen Kindheitstraum verwirklichen und das Bündnis Sahra Wagenknecht kurz und knapp umbenennen in Bündnis Cassius Clay. Ob Andrew Lloyd-Webber dafür auch ein Werk von Bedeutung verfassen wird, steht jedoch noch in den Sternen auf dem Walk of Fame.

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