Die AfD im Brandenburger Landtag: Spielball Sperrminorität

Nach Thüringen erlangt die AfD auch im Brandenburger Landtag die sogenannte Sperrminorität. Wie könnten die Rechtsextremen diese nutzen?

Portrait von Hans-Christoph Berndt

Brandenburger AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt während seiner Pressekonferenz zum Ausgang der Landtagswahl Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

BERLIN taz | Für die AfD verlief die Wahl in Brandenburg nahezu perfekt. Zwar gibt es für die extrem rechte Partei insofern einen Schönheitsfehler, als sie mit 29,2 Prozent hinter den Sozialdemokraten mit 30,8 Prozent liegt. Doch entscheidender ist für die AfD, dass sie 30 der insgesamt 88 Landtagsmandate errang. Damit stellt sie über ein Drittel der Abgeordneten.

Das ist eine kritische Schwelle: Die AfD hat nun eine Sperrminorität und kann alle Abstimmungen blockieren, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern. Sie kann also bei bestimmten wichtigen Entscheidungen nicht vom Rest des Parlaments überstimmt werden. Wie schon in Thüringen will die extrem rechte AfD diese Blockademacht nutzen, um das Parlament von innen heraus zu bekämpfen.

Ansetzen können die Rechtsextremen diesen Hebel an vielen Punkten: sowohl in Brandenburg als auch in Thüringen brauchen die Abgeordneten eine Zweidrittelmehrheit, um die Verfassung zu verändern, Rich­te­r*in­nen für das Landesverfassungsgericht zu wählen sowie den Landtag aufzulösen. Die AfD kann also Neuwahlen blockieren, falls keine Regierung zustande kommt, eine Koalition platzt oder eine Pattsituation für eine Minderheitsregierung entsteht – was angesichts komplizierter Regierungsbildungen mit der Phantompartei BSW nicht allzu abwegig ist. In Brandenburg können zudem Mitglieder des Landtagspräsidiums nur mit Zweidrittelmehrheit abgewählt werden.

Ebenso drohen in beiden Ländern Hängepartien bei der Nachbesetzung des Landesverfassungsgerichts. In Potsdam laufen in der nächsten Legislaturperiode sechs der neun Amtszeiten der Ver­fas­sungs­rich­te­r*in­nen aus. Bei einer Blockade könnten diese zwar zunächst kommissarisch im Amt bleiben. Langfristig aber könnten die Rechtsextremen durch ihre Sabotage dafür sorgen, dass Posten nicht nachbesetzt werden. Die Legitimität des Gerichts würde leiden, es könnte auf lange Sicht eventuell arbeitsunfähig oder eben mit AfD-freundlichen Ju­ris­t*in­nen besetzt werden. Die wiederum könnten die Arbeit des Verfassungsorgans von innen behindern, blockieren oder zugunsten einer der vielfachen Verfassungsklagen der AfD beeinflussen.

Rassistische Forderungen

Brandenburgs AfD-Landesvorsitzender René Springer und Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt ließen keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Landtagsfraktion ihre Blockademacht einsetzen wolle, um die Brandmauer abzureißen. Die Rechtsextremen, mit denen wegen ihrer Radikalität keine andere Partei koalieren will, wollen so die anderen Parteien vor sich hertreiben und Zugeständnisse erpressen. Mit der Sperrminorität hat die AfD einen Hebel, um sich trotz ihrer Radikalität weiter zu normalisieren.

Das unterstrich Landesvorstand René Springer, der am Wahlabend nicht mit der taz sprechen wollte, am Montagmorgen im Deutschlandfunk: „Wenn das Vorhaben deutschen Interessen dient, unterstützen wir Verfassungsänderungen und ernennen auch Richter, aber im Gegenzug können wir verlangen, dass unseren Gesetzesvorhaben zugestimmt wird.“ Als Beispiel nannte Springer wiederum dem Spiegel die rassistische AfD-Forderung nach einem „Betretungsverbot für Asylbewerber bei Volksfesten“. Dass dies rechtswidrig und damit uneinlösbar sein dürfte, belegt, dass es der AfD darum geht, demokratische Prozesse zu blockieren.

Verfassungsrechtler forderten bereits vor den nun eingetretenen Ernstfällen in Thüringen und Brandenburg Reformen. Etwa, dass Verfassungsgerichte bei Blockaden selbst an Nachbesetzungen beteiligt würden und deren Vorschläge nur mit einfacher Mehrheit durch den Landtag müssten. Problem: Für eine solche Reform braucht man eine Verfassungsänderung. Womit man wieder bei der Sperrminorität ist.

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