BSW nach der Brandenburg-Wahl: Zwischen Triumph und Überforderung

Ohne das BSW geht machtpolitisch nichts. Doch Landeschef Crumbach hält sich noch alles offen.

Portrait von Rober Crumbach

BSW-Landeschef Robert Crumbach übt sich am Tag nach der Wahl in leisen Tönen Foto: Fabian Sommer/dpa

BERLIN taz | Robert Crumbach, Landeschef des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Brandenburg, faltet die Hände vor seinem Bauch. Vor ihm stehen ein paar Fotografen. Für den 61-Jährigen ist es noch neu, im Rampenlicht zu stehen. Er scheint die eingeübten Blicke und Gesten noch zu suchen.

Es ist gut möglich, dass das BSW, eine Partei mit kaum politischer Erfahrung und 40 Mitgliedern im Landesverband, in Brandenburg mitregieren wird. Denn die SPD hat mit der CDU keine Mehrheit. Mit der BSW-Fraktion gäbe es eine knappe Mehrheit von zwei Mandaten. Wie in Sachsen und Thüringen geht ohne das Bündnis Sahra Wagenknecht machtpolitisch nichts. Eigentlich ist das eine spektakuläre Lage. Der Medienandrang in der Bundespressekonferenz ist am Montagmittag trotzdem übersichtlich. Sahra Wagenknecht ist krank. Ohne die Chefin fehlt dem BSW jener Thrill, der für Aufmerksamkeit und Kameras sorgt.

Crumbach ist ein Mann moderater Töne, anders als seine abwesende Chefin mit ihrer maximalen Verachtungsrhetorik gegenüber den Etablierten. „Wir verändern ein bisschen die politische Landschaft“, sagt Crumbach. Das ist, nach drei gewonnenen Landtagswahlen, eine verblüffend zurückhaltende Rhetorik für den Landeschef einer populistischen Partei, die von Gefühlsbewirtschaftung lebt.

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Crumbach, Arbeitsrichter, war 40 Jahre in der SPD und hat unter anderem als Referent für die SPD-Fraktion gearbeitet. Potsdam ist klein. Macht diese Nähe die kommenden Gespräche mit SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke einfacher? Dass man sich kennt, „schadet und hilft auch nicht“, sagt Robert Crumbach. Er ist ein Meister abgewogener Unentschiedenheit. Wenn er Widerspruch anmeldet, sagt er: „Ich bin mir nicht sicher, dass …“ Das wirkt in einer Partei, die viel mit Ausrufezeichen und Affektmobilisierung arbeitet, ungewöhnlich. Gemeinsamkeiten mit der SPD sieht Crumbach beim Strukturumbau in der Lausitz, Unterschiede bei der Krankenhausreform. Einen Corona-Untersuchungsausschuss – Standardforderung des BSW – hält er in Brandenburg für überflüssig. Es habe ja schon einen gegeben.

Zwischen Kampfrhetorik und Diskursethik

Amira Mohamed Ali, Co-Bundes­chefin des BSW, ist am Montag zuständig für klare Ansagen. „Wir gehen nur in eine Landesregierung, die sich unmissverständlich gegen die Stationierung von US-Raketen positioniert“, sagt sie. Das Wording der Bundes-BSW-Politikerinnen hat etwas Hämmerndes, Landespolitiker Crumbach klingt leiser.

Also hier die populistische Kampfrhetorik, dort der verbindliche Blick für das Machbare? Mohamed Ali versucht am Montag diesen Eindruck als Trick von Medien und politischer Konkurrenz zu deuten: „Im Bund die Verrückten, im Land die Vernünftigen – diese Spaltung machen wir nicht mit.“

Crumbach, der immer wieder auf seine Erfahrung als Arbeitsrichter verweist, glaubt, dass man einen möglichen Dissens zwischen Wagenknecht und dem Landesverband besprechen wird. „Wir werden das ausdiskutieren.“ Man rede so lange, bis man ein Ergebnis hat. Das kenne er aus seinem Job. Es ist erstaunlich, dass es beim BSW Anhänger von Habermas’ Diskursethik gibt.

Die BSW-Fraktion wird sich am Mittwoch erstmals treffen. Die Fraktion besteht aus Ex-Linkspartei-Kommunalpolitikern – etwa Niels-Olaf Lüders und Andreas Kutsche, Betriebsratsvorsitzender des Städtischen Klinikums in Brandenburg an der Havel. Das Gros der 14-köpfigen Fraktion hat indes keine parlamentarische Erfahrung. Die Ärztin Jouleen Gruhn arbeitet als Referats­leiterin im Gesundheits- und Sozialministerium. Reinhard Simon war früher Intendant der Uckermärkischen Bühnen in Schwedt.

Die CDU hält sich erstmal raus

Diese Unerfahrenheit wäre gerade angesichts der knappen Mehrheit einer möglichen SPD-BSW-Regierung ein Risiko. Crumbach versucht, diesen Malus als Bonus zu verkaufen. Die Fraktion versammele eben „lebenserfahrene Leute“.

Davon scheint Wahlsieger Dietmar Woidke nicht ganz überzeugt zu sein. „Das BSW ist nach wie vor eine Blackbox“, erklärte der Ministerpräsident am Montag im Willy-Brandt-Haus in Berlin. „Stabilität wird nicht einfach zu erreichen sein.“ Die SPD werde daher mit dem BSW und der CDU sondieren.

Die Brandenburger CDU ist am Montag da auffällig zurückhaltend. CDU-Generalsekretär Gordon Hoffmann sagt in Potsdam, er wisse nicht, warum man mit der SPD sondieren soll – mangels Mehrheit. Für die CDU „gibt es keinen Regierungsauftrag“. Der Ball liege „zunächst bei SPD und BSW“. Der Subtext: Soll die Sozialdemokratie halt sehen, wie sie mit dem BSW zurechtkommt.

Das wird kompliziert. Die Verhandlungen werden, wie in Sachsen und Thüringen, wohl eher Monate als Wochen dauern. Das BSW muss ohne Parteiapparat, ohne Verwurzelung im Land oder in Verbänden eine professionell arbeitende Fraktion bilden. Das ist schwer genug. Und auch noch regieren?

Robert Crumbach will am Montag nichts ausschließen – auch nicht, dass das BSW eine SPD/CDU-Minderheitsregierung tolerieren könnte. Das wäre für das BSW politisch rational, um eine Überforderung zu vermeiden. Aber SPD/CDU zu stützen, ohne selbst davon etwas zu haben? Das dürfte kaum in die machiavellistischen Spielanordnungen in Saarbrücken passen.

Vorsichtige Distanzierung von der großen Chefin

Woidke steht vor der komplexen Aufgabe, womöglich mit einer schwer ausrechenbaren BSW-Fraktion und knapper Mehrheit regieren zu müssen. Die ziemlich ultimativ klingende Forderung, dass die Landesregierung die Stationierung der US-Raketen 2026 ablehnen muss, ist auch eine Hürde. Der SPD-Wahlsieger erzählt im Willy-Brandt-Haus, dass ihm das Gerücht zu Ohren gekommen ist, dass „ein Rentner aus dem Saarland die Verhandlung führen soll“. Will sagen: Oskar Lafontaine. Er lasse das mal so stehen.

Robert Crumbach, der in den nächsten Wochen eine Schlüsselrolle spielen wird, sagt hingegen, dass Sahra Wagenknecht zwar „das Gesicht der Partei“ sei. Aber: „Wir sind nicht nur Sahra Wagenknecht.“

Insofern war die Pressekonferenz ohne die Chefin schon mal eine gute Übung.

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