Mann mit auffälligen Daten

Bei seinem ersten Startelfeinsatz für Eintracht Frankfurt beeindruckt der 21-jährige brasilianische TorhüterSantos mit seiner Abgeklärtheit und lässt die Zuschauer beim Heimsieg gegen Gladbach des Öfteren raunen

Sicherer Eindruck: Santos schützt den Ball bestmöglich Foto: imago

Aus Frankfurt Frank Hellmann

Es war schon ein ulkiges Bild, wie sich am Samstag auf den Wegen zur Frankfurter Arena die Fußballfans mit dem Feiervolk mischten. Hier die Anhänger von Eintracht Frankfurt, die beim Abendspiel gegen Borussia Mönchengladbach (2:0) die nächste Spaßvorstellung ihrer Lieblinge erlebten. Dort die Besucher des Frankfurter Oktoberfests, das im Schatten der Arena für dreieinhalb Wochen dem Original in München möglichst detailgetreu nacheifert. Einlass in Fußballtrikots bekommt im Festzelt mit Eintracht-Jersey niemand: Der Veranstalter bittet „dem Frieden wegen, von Kleidung seines eigenen Teams abzulassen“. Dabei war die Hochstimmung an den beiden direkt nebeneinanderliegenden Veranstaltungsorten doch ziemlich identisch.

Die einen feierten nach Toren von Hugo Larsson (31.) und Omar Marmoush (80.) auf den Rängen mit dem dritten Sieg in Folge den nahezu perfekten Saisonstart, die anderen schmetterten auf den Bänken in Lederhosen und Dirndl die obligatorischen Oktoberfesthits. Mittendrin in der Frankfurter Feierstunde einer, dem bis dahin das Stadion noch genauso fremd war wie eine Tracht: Torwart Kauã Morais Vieira dos Santos, erst im vergangenen Jahr aus Rio de Janeiro nach Frankfurt gekommen, feierte eine überzeugende Heimpremiere, die viele der 58.000 Augenzeugen staunen ließ.

So aufmerksam und abgeklärt, so souverän und seriös muss einer in seinem ersten Bundesligaeinsatz über die volle Distanz erst mal spielen wie der 1,96 Meter-Hüne, der am Ende nicht mal davor zurückschreckte, seinen eigenen Verteidiger Artur Theate aus dem Weg zu räumen. Da ging ein Raunen durch die Arena – genau wie bei den gewaltigen Abwürfen des 21-Jährigen. Dazu kamen einige gute Paraden wie gegen Nathan Ngoumou (58.), ehe ihm beim Schuss von Rocco Reitz der Pfosten half (67.). Weil Santos in seiner Heimat in Jugendtagen viel Futsal spielte, zeigte er sich auch mit dem Ball am Fuß keine Spur nervös. Sein Vorbild ist diesbezüglich der brasilianische Nationaltorhüter Ederson bei Manchester City.

Weil sich Stammtorwart Kevin Trapp in der Vorwoche beim VfL Wolfsburg (2:1) am Oberschenkel verletzte, wird Santos wohl bis zum Heimspiel gegen den FC Bayern (6. Oktober) gebraucht. Auf ihn wartet als Nächstes die Europa-League-Premiere daheim gegen Viktoria Pilsen (Donnerstag 21 Uhr). Trainer Dino Toppmöller hatte seit Längerem keine Bedenken, nach Heurelho Gomes (2013 bei der TSG Hoffenheim) dem zweiten brasilianischen Keeper im deutschen Oberhaus zu vertrauen, „weil wir die großen Entwicklungsschritte sehen“.

Der eine oder andere will in der Nummer 40 schon die neue Nummer eins erkennen, weil Santos im Vergleich zu Trapp über die größere Geschmeidigkeit und die bessere Perspektive verfügt. Gemach, gemach, weil nach anderthalb Bundesligaspielen kein vertiefendes Urteil zu fällen ist. Fakt ist jedoch, dass die bereits 34 Jahre alte Identifikationsfigur im Eintracht-Tor nicht ganz grundlos bei Bundestrainer Julian Nagelsmann vor der Heim-EM keine Berücksichtigung mehr fand. Nun könnte auch im Klub die Konkurrenz an ihm vorbeiziehen.

Santos verfügt im Vergleich zu Trapp über die größere Geschmeidigkeit

Frankfurts Torwarttrainer Jan Zimmermann setzte sich im vergangenen Jahr sehr dafür ein, 1,6 Millionen Euro Ablöse für das Torwarttalent aus Südamerika zu bezahlen, das „über unseren Algorithmus, über Daten“ aufgefallen war, wie Sportdirektor Timmo Hardung erzählte. Die datenbasierte Spielersuche auf einem globalen Markt gilt längst als Markenzeichen der Hessen. Bei Santos sind die Verantwortlichen mehr denn je davon überzeugt, einen guten Griff getätigt zu haben.

Zudem kommt der neue Hoffnungsträger recht geerdet rüber, der mit Frau und Tochter inzwischen in der Mainmetropole lebt. Zimmermann hatte in einem klubeigenen Podcast erzählt, dass er die meiste Arbeit mit dem Nachwuchskeeper hatte, ihm gewisse Gepflogenheiten im deutschen Profifußball beizubringen. „Wenn wir um 11 Uhr Training haben, gehört es bei uns dazu, um 10.15 Uhr im Gym anzufangen. Wenn ein Torwart das nicht macht, kann ich nicht sicher sein, dass er Profi wird.“ Santos weiß seither, war er tun muss, um seinem Arbeitgeber zu gefallen.