Reality-Show über Mormonen: Heilige oder Sünderin?

Mormon_innen und Swinger-Partys passen nicht zusammen. „The Secret Lives of Mormon Wives“ zeigt acht Frauen, die beides vereinen.

Acht weiblich gelesene Personen sitzen oder stehen auf einer Treppe

Zeigen Haut, aber nicht zu viel: „Mormon Wives“ Foto: Disney

Im Mai 2022 erklärte die Influencerin Taylor Frankie Paul auf Tiktok das Ende ihrer Ehe. Sie und ihr Ehemann waren gemeinsam mit Freund_innen Teil eines Soft Swinging. Sie sagt: „Niemand war unschuldig. Jeder hat mit jedem rumgemacht.“ Doch Taylor hatte sich nicht an die Regeln gehalten und mit einem Ehemann ihrer Freundinnen auch im Privaten rumgemacht, anstatt wie verabredet alles vor den Augen der anderen zu tun.

Das Video ging viral, denn Taylor ist nicht irgendwer, sondern die selbst ernannte Erfinderin und Chefin von #MomTok. Dahinter verbirgt sich eine Gruppe von verheirateten mormonischen Frauen in Utah, die Tanz- und Comedyvideos machen.

Wer Teil der Church of Jesus Christ of Latter-day Saints ist, der hat sich an strenge Regeln zu halten: keine Drogen, kein Alkohol, kein Kaffee, kein Sex vor der Ehe, nicht zu viel nackte Haut, aber ein gepflegtes Äußeres – nichts, was das Bild der Kirche beschmutzen könnte. Und eine Soft-Swinging-Party passt da natürlich nicht rein. Entsprechend entsetzt sind die anderen Frauen von #MomTok, dass Taylor einfach der ganzen Welt von diesen Partys erzählt, und natürlich möchte niemand Teil davon gewesen sein.

Was für ein Fernsehgold muss sich Streaminganbieter Hulu gedacht haben. Er hat diesen Skandal zum Anlass genommen, eine Realityshow über acht Influencerinnen von #MomTok zu produzieren. Entstanden ist „The Secret Lives of Mormon Wives“. Da sie mit ihren geweißten Zähnen, gemachten Gesichtern und langen Haaren alle etwas ähnlich aussehen, braucht man als Zuschauer_in etwas Zeit, um die Frauen, ihre Ehemänner und zahlreichen Kinder auseinanderzuhalten.

Anführerin von MomTok

Aber das Drama ist schnell verstanden, denn es gibt zwei Grundkonflikte. Der erste dreht sich darum, wie streng oder lasch die Frauen den pa­tri­archalen und konservativen Regeln der Mormon_innenkultur folgen. Also, ob sie zu den „Heiligen“ oder zu den „Sünderinnen“ gehören. Der Zweite: Wer ist eigentlich die Anführerin von #MomTok? „Sünderin“ Taylor oder „Heilige“ Whitney?

Klar, dass es immer wieder zu Streit kommt – und davon lebt gutes Reality-TV. Die erste Folge endet dann auch gleich mit einem Höhepunkt: der Festnahme der betrunkenen Taylor, nachdem eine Nachbarin die Polizei wegen eines Streits gerufen hatte. Und damit ist der Ton für die Show gesetzt: eine Mischung aus „Real Housewives“, „The Kardashians“ und „Mean Girls“.

Zwischen Besuchen beim Beautydoc, wo sich die Frauen beim Botoxspritzen ihr High vom Lachgas holen, Limodates oder Kindersegnungen geht es um die Frage, wie unterschiedlich die Frauen mit den Regeln ihrer Religion umgehen. Denn die unter ihnen, die als Influencerinnen sowohl für das Einkommen als auch für die Care-Arbeit der Familie zuständig sind, äußern Kritik: „Vor der Heirat ist Sex ein Tabu, aber danach wird von dir erwartet, dass du für deinen Mann ein Pornostar bist.“

Das Drama der Show beschränkt sich mittlerweile längst nicht mehr auf den Bildschirm. Seit der Ausstrahlung Anfang September hat sich die Kirche von der Show distanziert. Und unter Mormon_innen wird diskutiert, wie authentisch die Darstellung ihrer Kultur in der Show ist.

Für die meisten stellt sich aber viel eher die Frage, ob es sich um gutes Reality-TV handelt, und die lässt sich ziemlich einfach beantworten, mit Ja. Und feministische Untertöne gibt es als kleines Schmankerl obendrauf.

„The Secret Lives of Mormon Wives“ bei Disney+

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