berliner szenen
: Post von Ficus Benjamini

Postkarten bekommt man ja nur noch selten. Alle waren im Urlaub, alle sind zurück, nix bekommen. Hab ja selbst auch keine geschrieben. Doch gestern kam Post von meinem Ficus Benjamini. Ich hatte ihn der Freundin einer Nachbarin geschenkt. Mit der Nachbarin zusammen hatte ich vor Monaten mein Bett umgestellt. Und genau dies Umstellen war dem Baum damals nicht bekommen. Denn mein Bett steht seitdem da, wo einst er stand, und sein neuer Platz gefiel ihm nicht. Quittierte seinen Ortswechsel mit Gelbwerden, Blattabwurf. Alternativen gibt es nicht in der Streichholzschachtelwohnung.

Dass er vierzehn sei, sag ich der Freundin meiner Nachbarin, als sie ihn abholen kommt, und dass ich ihn einst als Winzling vom Blumenkiosk durch Kreuzberg nach Hause geradelt hätte. Aber geht das denn überhaupt, ihn jetzt weggeben?, fragt sie mich. Liebt ihr euch nicht heiß und innig nach vierzehn Jahren? Ich schlucke. Sie hat ja recht, niemand hat mit mir derart lange zusammengelebt. Nein, es sei entschieden, schweren Herzens zwar, aber entschieden, sag ich mit trockener Kehle, und: bitte gut pflegen. Jeden Sonntag zwei Glas voll Wasser, füg ich an. Als ich erfahre, dass sie in einer WG wohnt, sag ich: Nicht ins Raucherzimmer stellen! In meiner letzten WG wurden im Gummibaum Kippen entsorgt. Wir rauchen nicht, beruhigt sie mich. Sie rauscht ab, eine Hand am einst geflochtenen, über die Jahre dick zusammengewachsenen Stamm des Baums, die andere am Übertopf. Willst du dich nicht von ihm verabschieden? Das tue ich. Öffne den beiden die Tür. Bin etwas durcheinander, wie ich den Benjamini so einfach davongehen sehe.

Und jetzt, auf der Postkarte, ist mein Baum zu sehen, an seinem neuem Platz, lässig und luftig zwischen großem Fenster und Bücherschrank. Ich glaub, es fehlt ihm nix. Felix Primus