berliner szenen
: Das kalte Chateau-briand

Ein ungleiches Paar saß da auf der sehr gut gepolsterten Eckbank eines französischen Restaurant in Charlottenburg, wo man für den Verzehr eines nur ansatzweise geschmorten Chateaubriand-Rinderfilets angenehm zu sitzen hat. Er gute sechzig Jahre alt, klein, kräftig, die tiefen Falten in seinem Gesicht lassen vermuten, dass er viele Jahre seine Ge­sprächs­part­ne­r:in­nen nur mit Misstrauen angeschaut haben muss.

Sie, etwa dreißig Jahre jünger, groß, schlank, Chanel-Kostümchen, die solargebräunten Hände mit den pinkfarben lackierten Fingernägeln wandern zärtlich über seine Schulter. Ein Liebespaar? Zu stereotyp. Und Stereotype gehören doch unterwandert. Denkt man dann auch bei ihr, die ihn als seinen „Kunden“ vorstellt. Sie sei Kunstberaterin in London, er Geschäftsmann und Kunstsammler aus Zypern, der offenbar einen schnellen Kunst-Deal raushauen will. Deswegen sitzen beide hier auf der bequemen Eckbank, bei einem dieser Dinner einer Berliner Galerie, wo Künst­le­r:in­nen und Kunst­dea­le­r:in­nen bei Fleisch und Wein zusammenkommen (ja, sehr stereotyp) und vielleicht auch der Händedruck für dieses oder jenes Kunstwerk stattfindet.

Aber Geld scheint im Falle des – nennen wir es mal – Geschäftspaars keine große Rolle zu spielen, obwohl die Galerie es doch in diesem Moment so reichlich fließen lässt. Die Galerie macht nämlich Kunstmarktpolitik und das Paar hat es auf eine ihrer Künst­le­r:in­nen abgesehen, die nicht mehr nur für „irgendwelche Privatsammlungen“ verkauft werden, sondern in die Sammlung eines öffentlichen Museums wandern soll, das ist gut fürs Image. Da kann das Gebot des Geschäftsmanns noch so hoch sein. Das sagt natürlich keiner, trotzdem merken es die beiden und lassen ihr Chateaubriand unangetastet zurück.

Sophie Jung