Kommentar von Christian Rath zur Totalstreichung von Leistungen für Dublin-Geflüchtete
: Scheinlösung wohl nicht verfassungswidrig

Die Ampelkoalition will Leistungen für Dublin-Geflüchtete in vielen Fällen auf null reduzieren. Das ist einer der wesentlichen Punkte des sogenannten Sicherheitspakets, das die Ampelkoalition am Donnerstagnachmittag vorstellte.

Von Dublin-Geflüchteten spricht man, wenn ein Geflüchteter nach den Dublin-Regeln der EU Anspruch auf ein Asylverfahren in einem anderen EU-Staat hat, insbesondere weil er dort erstmals EU-Boden betrat. Dann muss er in diesen Staat zurückkehren. Die Koalition hat nun beschlossen, dass Asylsuchende in Deutschland keinen Anspruch mehr auf Sozialleistungen haben, sobald der eigentlich zuständige Staat der Rücküberstellung im konkreten Fall zugestimmt hat. Justizminister Marco Buschmann (FDP) hofft, dass Betroffene dann freiwillig in das zuständige Land ausreisen.

Bei der Reform geht es um einen völligen „Ausschluss“ der Leistungen, nicht nur um eine Reduzierung auf „Bett, Brot und Seife“. Denn das ist bereits seit 2015 rechtlich möglich und wird auch von den Ausländerbehörden praktiziert.

Die Organisation Pro Asyl hat die Pläne der Koalition massiv kritisiert, sie seien „absehbar verfassungswidrig“. Zu Recht weist Pro Asyl darauf hin, dass Sozialleistungen nicht zur bloßen Abschreckung gestrichen oder willkürlich gekürzt werden dürfen.

Allerdings geht es hier nicht um abstrakte Abschreckung, sondern um Durchsetzung der geltenden Dublin-Regeln. Es dürfte daher nicht verfassungswidrig sein, Asylsuchende darauf zu verweisen, dass sie in anderen EU-Staaten Anspruch auf Ernährung und Unterkunft haben.

Dennoch werden auch künftig nicht alle Flüchtlinge ihr Asylverfahren in anderen EU-Staaten bekommen. Denn das Dublin-System selbst, wonach Deutschland fast nie zuständig wäre, weil es keinerlei EU-Außengrenzen hat, ist offensichtlich ungerecht. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass EU-Staaten, die an den EU-Außengrenzen liegen, das System unterlaufen, wo es geht.

Das sieht implizit auch die Bundesregierung, wenn sie die künftige Streichung der Sozialleistungen für Dublin-Flüchtlinge an die Aufnahmebereitschaft des zuständigen EU-Staats knüpft. Denn es sind eben nicht nur die Flüchtlinge, die ihre Überstellung verhindern, sondern oft auch die nach den Dublin-Regeln zuständigen EU-Staaten. Solange das ungerechte Dublin-System nicht durch einen gerechten Verteilungsmechanismus ersetzt wird, werden die zuständigen EU-Staaten auch weiterhin die Geflüchteten unterstützen, die unbedingt nach Deutschland wollen.

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