HAMBURGER SZENE VON JANKO RAAB
: Das Loch von Altona

Östlich des Altonaer Bahnhofs war immer das „verlorene Land“. Zumindest sagte man das, als ich klein war: Bettler, Trinker, kaputte Häuser, eine Einkaufszone samt 70er-Jahre Shopping-Ensemble mit echtem Gruselfaktor. Vorbei die Zeiten. Das Gebäude musste kürzlich weichen, zurück blieb ein großes Bauloch.

Samstag ist Markttag. Ich gehe hin und staune: Das Obst ist jetzt Bio – lange Schlangen bilden sich dort, wo die Preise am höchsten sind. Der herrlich ungesunde, aber aus der Zeit gekommene Würstchenstand verwaist. Statt streunender Schäferhunde sehe ich frisierte Pudel, naja, noch nicht ganz – aber vorerst wohlerzogene Retriever. Der schief singende Straßenmusiker trällert seine Lieder jetzt woanders. Mag er keine Retriever?

Alles wird neu: Das Ladenlokal, in dem zuvor noch ein internationaler Call-Shop war, wird grundsaniert. Telefonkabine um Telefonkabine wandert in den Container. Sie tragen die Namen „Bamako“ und „Luanda“, Hauptstädte der Länder, in die von hier aus telefoniert wurde. Das Apple-Geschäft ist schon fertig. Auf den Obdachlosen, der neben dem Laden steht, wartet Apple wohl eher nicht.

Ich gehe am Bauzaun entlang. Dort erinnern Fotos an das alte Altona, das langsam verschwindet im großen Loch, in dem demnächst ein Ikea entsteht. Alles einfach „weggentrifiziert“.