Hilfe für Dichter und Denker

Ein neues Förderprogramm soll den krisengeplagten Geisteswissenschaftlern helfen. Nun müssen diese das Angebot auch nutzen, denn die Resonanz auf die vor drei Jahren gestartete „Förderinitiative Geisteswissenschaften“ ist bisher gering

VON OLIVER VOSS

Immer wieder wird über die Krise der Geisteswissenschaften diskutiert. In Zeiten knapper Kassen sind es gerade die kleinen, exotischen Studienfächer, bei denen Sparkommissare den Rotstift ansetzen. Assyrologie, Semitistik oder Historische Hilfswissenschaften: Wo Außenstehende oft nicht einmal eine Vorstellung von den Inhalten haben, wird auch schnell die Frage nach dem Nutzen gestellt. Der zeigt sich mit der geschichtlichen Entwicklung. Nach dem 11. September waren plötzlich Islamwissenschaftler gefragt, und der Bedarf an Sinologen oder Gerontologen dürfte weniger überraschend steigen. „Aktuelle gesellschaftliche Veränderungen wie der Umbau des Sozialstaats oder die strukturelle Handlungsunfähigkeit politischer Eliten schreien geradezu nach kultur- und gesellschaftswissenschaftlicher Analyse“, erklärte der Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung, Wilhelm Krull, bei der Präsentation der Förderinitiative Pro Geisteswissenschaften.

Das Programm soll neue Fördermöglichkeiten bieten, die auf die speziellen Bedürfnisse von Geisteswissenschaftlern zugeschnitten sind. Viele der bestehenden Angebote sind immer an spezielle Projekte gebunden. „Wir wollen auch etwas fördern, das nicht so spektakulär ist wie Großprojekte, aber essenziell für die Wissenschaft: den einzelnen Forscher und seine Arbeit“, sagt Axel Horstmann. Er ist Koordinator der Initiative Pro Geisteswissenschaften, die gemeinsam von der Volkswagen- und Fritz Thyssen Stiftung getragen wird. Einer der drei Programmteile heißt „Opus Magnum“, dabei soll renommierten Wissenschaftlern vor allem Zeit gegeben werden, sich ihrem „großen Werk“ zu widmen. Die Stiftungen zahlen während der Freistellung eine Lehrvertretung. „Diese muss durch einen Wissenschaftler erfolgen, der noch nicht auf einer festen Stelle sitzt“, sagt Axel Horstmann, „dadurch gibt es gleichzeitig noch eine Komponente der Nachwuchsförderung“.

An junge Wissenschaftler richtet sich jedoch vor allem die zweite Säule des Programms, die „Dilthey-Fellowships“. Dabei werden zehn Nachwuchsforscher in der Phase nach ihrer Promotion für fünf Jahre bei Forschungsvorhaben unterstützt, die Förderung kann auf bis zu zehn Jahre verlängert werden. Man wolle so die Möglichkeit geben, ohne Zeitdruck an Themen zu arbeiten, die über die Grenzen des eigenen Fachs hinausgehen. „Ein Philosoph, der sich mit Neurowissenschaften beschäftigen und da bis hin zu Laborexperimenten wirklich etwas tun will, braucht Zeit, um sich die entsprechenden Kenntnisse anzueignen“, sagt Horstmann.

Auch bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gibt es eine „Förderinitiative Geisteswissenschaften“. Bereits 2003 startete das auf drei Jahre angelegte Pilotprojekt, mit dem die Förderangebote der wichtigsten Drittmittelquelle besser auf die Belange der Geisteswissenschaftler abgestimmt werden sollen. Im Sommer wird als zweiter Schritt die Förderung von Forschergruppen und das Fellowprogramm an die Wünsche der Wissenschaftler angepasst. „Wir haben das Angebot optimiert, wo wir konnten, doch die Inanspruchnahme der Möglichkeiten ist geringer, als wir uns das wünschen“, sagt Manfred Nießen.

Der Leiter der Fachgruppe Geistes- und Sozialwissenschaften bei der DFG sieht einen entscheidenden Grund dafür bei den Hochschulen, die für verlässlichere Arbeitsbedingungen sorgen müssten. „Fachbereiche deren Existenz bedroht ist, sind keine Umgebung, wo man sich leicht aufmacht und Förderanträge stellt.“

Axel Horstmann kennt die Problematik, sieht die Gründe aber auch bei den Wissenschaftlern. Oft würden die Angebote als nicht passgenau wahrgenommen oder seien gar nicht bekannt. „Es fehlt bei vielen Geisteswissenschaftlern die Findigkeit, sich nach Fördermöglichkeiten umzusehen“, sagt Horstmann, „da muss mancher mehr die Augen aufmachen.“ Zudem führe die larmoyante Einstellung mancher Geisteswissenschaftler, die vor allem ihre schlechte Lage beklagen, zu einer Art Selbstblockade. Daher soll das neue Programm auch dazu ermutigen, die eigene Leistung selbstbewusster darzustellen. Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung der Leistung und Notwendigkeit von Geisteswissenschaften will man im nächsten Jahr auch mit dem dritten Programmteil liefern, der Veranstaltungsreihe „Geisteswissenschaften und Öffentlichkeit“.

Bewerbungsschluss für Anträge ist am 31. August bzw. 30. September 2005. Näheres unter: www.volkswagenstiftung.de