Veranstaltung zur RAF in Kreuzberg: Daniela Klette grüßt den Untergrund
Bei einer Podiumsdiskussion über den „bewaffneten Kampf“ wird ein Brief von Daniela Klette verlesen. Ihr Anwalt weist einen Anklagepunkt zurück.
BERLIN taz | Es sind innige Umarmungen, mit denen sich viele Besucher:innen im Kreuzberger Biergarten Jockel begrüßen. Man hat sich wohl lange nicht gesehen. Zu den besonders Geherzten gehören die beiden Podiumsgäste Karl-Heinz Dellwo, einst Mitglied der RAF, und Ralf Reinders, ehemals aktiv in der Bewegung 2. Juni. Viele der etwa 150 Besucher:innen der Diskussion über die „Geschichte des bewaffneten Kampfes“ an diesem Freitagabend sind ebenso in die Jahre gekommen wie die beiden einstigen Terroristen oder, in diesen Kreisen, „Mitglieder der Stadtguerilla“.
Es ist die Abschlussveranstaltung einer anarchistischen Reihe unter dem Titel „Gezeiten der Revolte“, die sich mit grundlegend antagonistischen Perspektiven auf Macht und Gesellschaft beschäftigt hat. Nach der Festnahme der einstigen RAF-Kämpferin Daniela Klette Ende Februar und durch die anhaltende Suche nach ihren früheren Mitstreitern Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub hat das Thema eine ungeahnte Aktualität bekommen.
Auf dem Podium in dem voll besetzten Saal sitzt dann mit Lukas Theune auch einer der drei Rechtsanwälte von Klette. Zunächst aber verliest Moderator Sebastian Lotzer, Autor und einstiger Autonomer, ein Grußwort von einigen der untergetauchten Antifaschist:innen, die aufgrund ihrer mutmaßlichen Beteiligung an Angriffen auf Neonazis in Budapest gesucht werden. Sie schreiben, anders als zu Zeiten der Stadtguerilla, in denen der Gang in die Illegalität „kein rein defensiver“ war, habe ihnen die „staatliche Repression aufgezwungen, Glück und Freiheit in der Illegalität zu suchen“.
Verlesen wird von einer Genossin auch ein Brief der in der JVA Vechta inhaftierten Klette, in dem sie die „von deutschen Politikern propagierte Kriegsertüchtigung der Gesellschaft“ geißelt. Über sich selbst schreibt Klette, sie habe sich ihre Festnahme und die Bedingungen im Gefängnis anders vorgestellt, spricht von Fußfesseln, verbundenen Augen und Drohungen über Einsatz der Schusswaffe.
Ihre Verhaftung sei von „tagelanger Hetze und aufgeputschter Stimmung“ begleitet gewesen. Berichte über Sprengstoff in ihrer Wohnung, der eine Gefahr für die anderen Bewohner:innen des Hauses dargestellt hätte, seien „eine Lüge“. Vergangene Woche hatten die Ermittler erstmals Bilder des Waffenarsenals gezeigt, das bei Klette gefunden wurde, darunter eine nicht funktionstüchtige Panzer-Abwehrrakete und ein Uralt-Maschinengewehr.
Zweifel an der Anklage
Rechtsanwalt Theune sprach von einer „Propagandashow“ um seine Mandantin, die die ersten zwei Monate in einer dauerhaft videoüberwachten Zelle, isoliert von den anderen Gefangenen, gehalten wurde. Inzwischen hätten sich die Bedingungen in der JVA verbessert.
Gleichwohl kritisierte er die Vorwürfe gegen Klette, insbesondere in Bezug auf das Verfahren wegen acht Raubüberfällen, bei denen es in einem Fall zu einer Schussabgabe auf ein gepanzertes Fahrzeug gekommen war. „Die Grundlüge des Verfahrens ist versuchter Mord“, so Theune. Dagegen sei offensichtlich: „Da sollte niemand zu Schaden kommen.“
Dellwo, der für seine Beteiligung an einer Geiselnahme in der deutschen Botschaft in Stockholm mit zwei Toten 18 Jahre hinter Gittern saß, führte die Notwendigkeit für Linke aus, sich außerhalb des Systems zu stellen. Eine Antwort darauf, was heutige Linke nun lernen könnten aus den bewaffneten Kämpfen von einst, blieb aber aus. Einen Spontanapplaus des andächtig lauschenden Publikums erhielt Reinders für sein Lob für Klette, Garweg und Staub: „30 Jahre in der Illegalität durchzuhalten ist eine wahnsinnige Leistung.“
Leser*innenkommentare
Isandlwana
" , , , des andächtig lauschenden Publikums." - Was für eine armselige, gleichzeitig lächerliche Huldigung für Figuren, die nie etwas anderes waren als ganz gewöhnliche Kriminelle , , mit exkulpatorischer Rechtfertigungsfassade.
Jim Hawkins
„30 Jahre in der Illegalität durchzuhalten ist eine wahnsinnige Leistung.“
Also alles eine Frage der Leistung, wie das in der Leistungsgesellschaft eben so ist. Gleichzeitig soll man sich außerhalb derselben stellen. Das wird schwierig.
Ein Eingeständnis dahingehend, dass der bewaffnete Kampf lange vor seinem Ende gescheitert war und den Versuch einer Art der offenen Aufarbeitung kann in diesem Kontext wohl kaum erwartet werden.
Dorothea Pauli
@Jim Hawkins Illegalität ist ja der Markenkern der DAF ;)