Ran an die Leute

WAHLFAHRT 20 junge Journalisten fahren durchs Land und hören zu

„Wir machen Wählerberichterstattung statt Wahlberichterstattung“, sagt Yu Len Roloff. Der Initiatorin des Projekts „Wahlfahrt09“ kommen in der Berichterstattung vor der Bundestagswahl die Menschen zu kurz: Was denken sie? Was erwarten sie von der Politik? Deshalb zieht die 32-Jährige mit anderen jungen Journalisten sieben Wochen lang mit einem Büro-Bauwagen durchs Land. Ihre Geschichten veröffentlichen sie auf www.wahlfahrt09.de.

„Wir wollen die Gesprächspartner nicht zu O-Ton-Gebern degradieren, sondern zu Ende erzählen lassen“, sagt Roloff. In Görlitz trafen sie einen Rentner, der sich für die deutsch-polnische Verständigung einsetzt. In Eisenhüttenstadt brachte ein 83-Jähriger seine Stasi-Akte mit und lud sie auf eine Fahrt in die Vergangenheit ein. Roloff ist überrascht, dass erstaunlich wenig Wichtigtuer vorbeikommen: „Die meisten haben eine richtige Geschichte zu erzählen.“

Meist sind sechs von 20 Reportern gleichzeitig unterwegs. Sie sind alle um die 30, viele haben eine Journalistenschule absolviert. Im Team wollen sie ohne Zwang experimentieren. Auf der Webseite finden sich Gesprächsprotokolle – eine Art Straßenumfrage deluxe. Die angekündigten multimedialen Elemente wie Audioslideshows und Videos fehlen hingegen weitgehend noch – technische Anlaufschwierigkeiten.

Ursprünglich dachten die Journalisten, dass sie mit dem Projekt Geld verdienen können. Doch die Einnahmen durch die Kooperationen mit Spiegel Online und DPA Infocom reichen gerade für die Miete des Bauwagens, Benzin und Verpflegung. Sponsoren stellten unter anderem Autos und einen mobilen Internetzugang zur Verfügung.

Wieso fahren die Journalisten auch ohne Geld auf „Wahlfahrt“? Es gehe darum, mal nicht das letzte Glied der Redaktionskette zu sein, sagt Roloff. „Ich habe jetzt für eine Weile einen viel größeren Entscheidungsspielraum als sonst.“ SEBASTIAN ERB