Länder verhindern Schulbesuch Behinderter

BILDUNG Bayern, Baden-Württemberg, NRW und andere Bundesländer grenzen behinderte Kinder systematisch von Regelschulen aus, kritisiert der Sozialverband. Bremen integriert 45 Prozent der Kinder. Die UNO fordert noch mehr

BERLIN taz | Kinder, die miteinander spielen, lernen, ihre Tage zu verbringen – unabhängig davon, ob sie eine körperliche oder geistige Beeinträchtigung haben oder nicht. Das sollte normal sein, sagen die Vereinten Nationen. In Deutschland ist es immer noch die Ausnahme.

Seit März ist die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland geltendes Recht. Ihr Ziel: Die 500.000 deutschen Schulkinder mit einer Behinderung sollen in der Regel mit Nichtbehinderten gemeinsam unterrichtet werden. Trotz der klaren Vorgabe hat sich im vergangenen halben Jahr in den Bundesländern erstaunlich wenig getan, stellt das „Bildungsbarometer Inklusion“ fest. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) hat die Studie am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat. Zwei Länder im Norden bilden rühmliche Ausnahmen: Positiv hebt die Studie Schleswig-Holstein und Bremen hervor. Die Hansestadt erreichte im Jahr 2008 eine Quote von 45 Prozent der körperlich oder geistig behinderten Schulkinder, die eine Regelschule besuchen, in Schleswig-Holstein waren es 32 Prozent. SoVD-Präsident Adolf Bauer hebt insbesondere hervor, dass die beiden Länder im vergangenen halben Jahr deutliche Fortschritte gemacht haben.

In Bremen haben Eltern nun auch einen Rechtsanspruch auf integratives Lernen ihrer Kinder. In Schleswig-Holstein wurde 2009 zum Jahr der inklusiven Bildung erklärt, zum Jahresabschluss wird mit einer Quote von 45 Prozent gerechnet. Erklärtes Ziel ist es, binnen zehn Jahren auf 85 Prozent zu kommen – damit wäre man auf dem Niveau von anderen europäischen Ländern wie Großbritannien oder Schweden.

In weiten Teilen der Republik hingegen ist das Thema noch nicht so recht angekommen: Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen bezeichnet Bauer als „Hardliner“. Er könne sich die dortige Politik eigentlich nur ideologisch erklären: „Das gegliederte Schulsystem erhält Privilegien.“ In Deutschland habe sich seit Jahrzehnten eine „Kultur des Ausgliederns“ entwickelt. Viel Zeit zum Umdenken bleibt aber nicht: In zwei Jahren muss Deutschland der UNO Bericht erstatten, wie es um die Ziele der Konvention steht. FELIX MÜLLER