Täglich eine „schwule Sau“

HOMOPHOBIE Nach einer Umfrage unter Jugendlichen erlebt über ein Drittel jeden Tag verbale Gewalt. Eine parallele Studie zeigt, dass auch Erwachsene diskriminiert werden

„Man muss derzeit Jugendlichen davon abraten, sich in der Schule zu outen“

Bernd Thiede, Rat und Tat Zentrum

Nicht nur „Schulen gegen Rassismus“, sondern auch „Schulen gegen Homophobie“ müsste es in Bremen geben, fordert Annette Mattfeldt vom Rat und Tat Zentrum für Schwule und Lesben. Der Grund sind erste Ergebnisse einer Umfrage unter homosexuellen Jugendlichen. Danach sagen 46 von 122 befragten Schülern und Schülerinnen, sie würden täglich abwertende Äußerungen über ihre sexuelle Identität hören, weitere 36 erleben dies einmal in der Woche. Als besonders erschreckend bezeichnet Mattfeldt, die die Studie mit Unterstützung des Bremer Senats durchgeführt hat, dass der Hälfte der Befragten in Diskriminierungssituationen nicht geholfen wurde. „Man muss derzeit davon abraten, sich in der Schule zu outen“, sagt Mattfeldts Kollege Bernd Thiede.

Als Konsequenz fordert er, das Thema Homosexualität verpflichtend in Schulen zu behandeln – und auch Kindergärten in die Pflicht zu nehmen. Dort, das hat eine Befragung ergeben, sei das Interesse noch geringer als an Schulen. Dabei, so Mattfeldt, sei es sinnvoll, so früh wie möglich anzusetzen, um Vorurteilen entgegenzuwirken. „Man muss auch mit den Eltern sprechen, es kommt ja vor, dass manche ihr Kind nicht mit einem anderen spielen lassen wollen, weil es zwei Mütter oder zwei Väter hat.“ Diskriminiert fühlen sich aber nicht nur Heranwachsende, wie eine parallele Studie, die am Freitag veröffentlicht wurde, zeigt. Wie berichtet, hat die Hälfte der 1.200 TeilnehmerInnen aller Altersgruppen Gewalt erfahren, überwiegend verbaler Natur. Angegriffen oder angerempelt wurden 14 Prozent der Männer und zehn Prozent der Frauen. Überrascht habe sie, dass mit 31 Prozent mehr Frauen als Männer (21 Prozent) Ablehnung und Benachteiligung in der eigenen Familie erfahren haben, sagt Mattfeldt. „Das kann daran liegen, dass es Schwule gibt, die als Politiker oder Musiker erfolgreich sind. Wenn Eltern versuchen, sich für ihre lesbische Tochter ein Leben vorzustellen, fehlen ihnen Vorbilder.“ Möglicherweise würden sie sich aber auch bei Töchtern eher vorstellen, dass diese ein Leben ohne Kinder führen werden, als bei ihren Söhnen.

Dabei zeigte die Studie, dass 13 Prozent der befragten Frauen und vier Prozent der Männer mit Kindern zusammenleben. Einen Kinderwunsch äußerten 14 Prozent der Männer und 20 Prozent der Frauen. „Das ist ein klares Signal, dass mehr Schwule und Lesben Kinder haben würden, wenn die Bedingungen besser wären“, so Mattfeldt. Als Beispiele nannte sie die Benachteiligung von Homosexuellen im Adoptionsrecht und den erschwerten Zugang zu Samenbanken.

Am Mittwoch wollen SPD und Grüne in der Bürgerschaft den Senat auffordern, sich im Bundesrat für eine Grundgesetzänderung einzusetzen. Das darin enthaltene Diskriminierungsverbot soll um das Merkmal sexuelle Identität ergänzt werden.EIB