Große Weltpolitik,kleines Freiberg

Das Solarwerk im sächsischen Freiberg steht still, weil die Subventionen ausbleiben. Wie ist die Stimmung in der Stadt?

Ein Hand tippt auf einen Touchscreen im Werk des Solarmodulherstellers Meyer Burger in Freiberg.

Im Freiberger Werk von Meyer Burger werden Solarmodule gefertigt Foto: Christoph Busse/visum

Aus Freiberg David Muschenich

Schichtwechsel: Nur wenige Mit­ar­bei­te­r:in­nen verlassen das Werk von Meyer Burger in Freiberg und wenige lösen sie ab. Obwohl eigentlich rund 500 Menschen für den Schweizer Solarkonzern in der sächsischen Kreisstadt arbeiten und die Solarbranche boomt, ist kaum etwas los. Seit Dienstag steht die Produktion still. Die größte Fabrik in Europa zur Herstellung von Solarmodulen soll im April schließen – nach nicht einmal drei Jahren.

Laut Meyer Burger ist der Markt derzeit nicht rentabel. Mit „Überproduktion und Dumpingpreisen“ drängten chinesische Firmen, unterstützt von ihrer Regierung, die Konkurrenz ins Aus, sagt Geschäftsführer Gunter Erfurt. Deutschlandweit berichteten Medien, wie er die Bundesregierung unter Druck setzte: Die Solarwirtschaft in Europa brauche Subventionen im Preiskampf mit China, oder Meyer Burger werde die Produktion in Freiberg einstellen und sich stattdessen auf die USA konzentrieren. Dort winkten mit dem Inflation Reduction Act wohlwollende Umstände.

Doch bisher blieben die Subventionen aus. Dabei schwächelt nicht nur Meyer Burger, sondern die ganze deutsche Solarindustrie. Wenn sie eingeht, droht erneut eine energiepolitische Abhängigkeit – dieses Mal von China. Wie reagiert der Westen dann, sollte China Taiwan angreifen? So spielt die große Weltpolitik indirekt eine Rolle im kleinen Freiberg.

Spürbare Verunsicherung

Die Mit­ar­bei­te­r:in­nen von Meyer Burger äußern sich derzeit nur ungern öffentlich. Niemand will der taz über die Stimmung im Betrieb berichten. Die Verunsicherung darüber, wie es weitergeht, ist spürbar. Gegenüber dem MDR erzählte ein Angestellter am Dienstag: „Im nächsten Monat beginnt die Kurzarbeit. Entsprechend ist da viel Unsicherheit und ziemlich viel Angst bei den Mitarbeitern.“

Dabei sind sie als Fachkräfte aktuell in einer guten Position. Fabriken, die sich freuen würden, gibt es auch in Freiberg. Doch wenn Meyer Burger wirklich dichtmacht, würden die Steuereinnahmen der Stadt sinken. Kurz nach der Ankündigung des Solarkonzerns im Januar verhängte Oberbürgermeister Sven Krüger (parteilos) bereits eine Haushaltssperre.

Ist Meyer Burger Thema in der Stadt? Am Obermarkt vor dem Rathaus erzählt eine Frau mit grauen Haaren und Sonnenbrille, sie kenne Angestellte, und die seien sehr traurig. Ein Mann in grüner Jacke ist hingegen selbst traurig, weil „die Arbeitsplätze und das Know-how verschwinden“. Etwas gehetzt sagt eine andere Freibergerin mit Handtasche: „Das scheint ja von der Politik gewollt zu sein, sonst hätte sie mehr gemacht.“

In Freiberg entstand schon kurz nach der Wende ein Solarwerk, das immer weiter ausgebaut wurde. Bis der einst größte Solarhersteller Deutschlands, Solarworld, 2018 wegen Insolvenz die Produktion einstellte. Trotzdem versuchte es ein paar Jahre später Meyer Burger erneut und eröffnete im Mai 2021 wieder die Solarmodulproduktion in Freiberg. Nun geht es wohl ein zweites Mal bergab.

Die AfD ist keine Hilfe

Im Stadtparlament sei Meyer Burger allerdings nur einmal Thema gewesen, erzählt die linke Stadträtin Jana Plinka. Die größte Fraktion, die AfD, konzentriere sich öfter auf Bundesthemen statt auf die Stadt. Auch die direkt gewählte Bundestagsabgeordnete der Stadt, Carolin Bachmann (AfD), äußert sich wenig zu Meyer Burger – und wenn, dann nennt sie die geplante Schließung ein Zeichen für die gescheiterte Energietransformation.

Dirk Neubauer (parteilos) sieht in solchen Erzählungen ein Problem. Er ist Landrat in Mittelsachsen, zu dem auch Freiberg gehört. Neubauer ist Fan von transformativer Technik und berichtet stolz von seinem Elektroauto. Was ihn hingegen ärgert: Wenn der Standort schlechtgeredet werde. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu einem innovationsfeindlichen Landstrich werden.“ Das kritisiert er nicht nur bei der AfD, sondern auch bei der Landesregierung von Michael Kretschmer (CDU). Neubauer redet schnell und findet harte Worte. „Was Sie anpacken, wird bekämpft, wenn es nach Veränderung riecht.“

Derzeit versuche er, Meyer Burger in Freiberg selbst zu retten. Sein Plan: Mit Partnern für 700 Millionen Euro Solarmodule im Kreis bauen. „Das würde den Standort hier bewahren. Ich weiß aber nicht, ob wir zu spät dran sind.“ Die Kommunen könnten von den Solaranlagen finanziell profitieren, glaubt er.

Profit bräuchte auch Meyer Burger. Am Donnerstag teilte das Unternehmen mit, im vergangenen Jahr 300 Millionen Euro Verlust eingefahren zu haben. Doch trotz Produktionsstopp: Einen Spalt breit lässt das Unternehmen die Tür noch offen. Endgültig Schluss sei in Freiberg nur, wenn die Politik bis zum 30. April nicht umsteuere. Die Mit­ar­bei­te­r:in­nen können also weiter hoffen.