Lehrer*innenmangel in Berlin: Niemand will ins Grüne
An vielen Schulen in Marzahn-Hellersdorf ist die Mehrheit der Lehrer*innen nicht voll ausgebildet. Der Ruf nach Steuerung wird lauter.
BERLIN taz | Weil der Mangel an Lehrer*innen in Berlins Randbezirken weiter extrem hoch ist, drängt die SPD auf mehr Steuerung. Insbesondere in Marzahn-Hellersdorf und in Spandau, teils auch in Lichtenberg, haben Schulen Probleme, alle freien Stellen zu besetzen. Das bestätigt Karina Jehniche, Vorsitzende des Interessenverbands Berliner Schulleitungen (IBS) und selbst Leiterin der Christian-Morgenstern-Grundschule in Spandau. Hinzu kommt, dass in den Randlagen besonders viele Stellen mit Quer- und Seiteneinsteiger*innen besetzt sind – mitunter sind es sogar mehr als die Hälfte.
„Wir sind an einem Punkt, wo der individuelle Wunsch von Lehrer*innen an einer bestimmten Schule zu unterrichten einer Unterversorgung ganzer Regionen gegenübersteht“, sagt Maja Lasić, die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, der taz. „Deshalb können wir nicht mehr darauf verzichten, zwischen Regionen auszugleichen.“
Konkret sollte der Senat alle, die ihr Referendariat gerade abgeschlossen hätten oder die neu nach Berlin kämen erst mal einer Schule mit Mangel zuweisen, fordert Lasić. Auch für Lehrer*innen, die einen Antrag auf Schulwechsel gestellt hätten, böte sich das an.
„Eine Lösung könnte sein, dass Lehrer*innen dann erst mal für 3 Jahre an eine Schule in Marzahn-Hellersdorf oder Spandau versetzt werden, bevor sie einen Platz an ihrer Wunschschule bekommen“, sagt Lasić. „In Zeiten des Mangels muss man entscheiden, wie die Lehrer*innen am gerechtesten aufgeteilt werden können.“ Von Zwangsversetzungen wollte sie nicht sprechen – das könne aber der allerletzte Schritt sein.
Senatorin setzt auf „Klebe-Effekte“
Im Mai hatte 2023 hatte die damals neu ins Amt gekommene Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) jegliche Steuerung bei der Besetzung von freien Lehrer*innenstellen abgeschafft. Sie wolle lieber auf den von „Klebe-Effekt“ setzen, sagte sie. Also darauf, dass Referendar*innen, die etwa an einer Schule in Marzahn ausgebildet werden, dadurch eine Beziehung zu der Schule aufbauen und sich womöglich aus freien Stücken für eine feste Stelle dort entscheiden.
Schulleiterin Jehniche glaubt nicht an den „Klebe-Effekt“: „Bei uns kommen gar keine Referendare an.“ 2015 hätten sie zum letzten Mal einen gehabt, danach nur noch Quereinsteiger*innen und Student*innen. „Unsere Schule ist vielen dann doch zu abgelegen, und zu problembehaftet“, sagt Jehniche.
In Marzahn-Hellersdorf sei die Situation „dramatisch und ungerecht“, sagt Marion Hoffmann (SPD), Vorsitzende des dortigen Schulausschuss. In einer Schule seien sogar 70 Prozent der Lehrer*innen nicht fertig ausgebildet. „Da muss man nachsteuern“, fordert sie.
„Wenn eine Mehrheit der Lehrkräfte in Ausbildung ist, ist die Frage, wann ein Kollegium kippt“, sagt auch Norman Heise, der Vorsitzende des Bezirks-Elternausschusses Marzahn-Hellersdorf. Mit Ausnahme der Gymnasien sei fast jede Schule im Bezirk unzureichend ausgestattet, also die Stellen für Lehrer*innen seien zu deutlich weniger als 95 Prozent besetzt. Auch er spricht sich daher klar für Steuerung aus.
Leser*innenkommentare
rero
Die Vorsitzende des Schulausschuss Marzahn-Hellersdorf schildert implizit auch, dass die Quereinsteiger geringere Unterrichtsqualität abliefern.
Wenn 70 % Quereinsteiger ein Problem sind, dürften auch 20 % Quereinsteiger ein Problem sein.
Nur eben für weniger Kinder.
Meine Kinder haben übrigens ganz wunderbare Quereinsteiger erlebt.
DiMa
Ja, so wird Berlin ganz sicher für die unzähligen Bewerber attraktiver.