Krawattenverbot für den Klimaschutz

Die japanische Umweltministerin Koike will keine Schlipsträger im Büro haben und wünscht ein legeres Outfit. Das entlastet die Klimaanlagen bei sommerlichen Temperaturen. Doch Ministerielle pochen auf ihr Recht auf standesgemäße Kleidung

AUS TOKIO MARCO KAUFFMANN

Im Sommer werde sie Krawattenträgern den Zutritt zu ihrem Büro verwehren, warnte Japans Umweltministerin Yuriko Koike bereits im Frühjahr. Das sommerliche Kleidungsregime trat am Mittwoch dieser Woche in Kraft und dauert bis zum 1. September. In der Hauptstadt Tokio waren die Temperaturen im vergangenen Juli auf über 40 Grad gestiegen, während zweier Monate fielen sie nie unter 30 Grad.

Den Heerscharen von Staatsangestellten die schweißtreibenden Sommertage zu erleichtern, ist nicht Koikes vorrangiges Anliegen. Die Umweltministerin hat höhere Ziele: Wer sich cool kleide, spüre 2 Grad weniger Hitze, berechnete die ehemalige Fernsehmoderatorin, die seit eineinhalb Jahren im Kabinett Koizumi sitzt. Folglich müssten die Klimaanlagen weniger Kühlleistung erbringen. Damit werde Energie gespart, und Japan, das die Uhren im Sommer nicht vorstellt, käme den Vorgaben des Kioto-Protokolls näher, prophezeite Koike – laut offizieller Amtsbezeichnung Ministerin für Umwelt, globale Umweltprobleme, die Angelegenheiten Okinawas und der nördlichen Territorien Japans.

Premierminister Junichiro Koizumi trug in dieser Woche ein Hemd der Südseeinsel Okinawa und weiße Hosen, als er der Dienstlimousine entstieg. Die Herren Kabinettskollegen hatte er ermuntert, mit gutem Beispiel voranzugehen, damit die Bekleidungserleichterung über alle Hierarchiestufen hinab getragen werde. Koike hofft, dass die Kampagne weitere Kreise zieht und auch Japans Geschäftsleute den Dresscode in der Sommersaison radikal ändern.

Die Ministerin bemühte sich in vorsommerlicher Zeit, alternative Kleiderformen beliebt zu machen. An einer Papierpuppe demonstrierte sie mediengerecht, wie sich Männer ohne Schlips und Veston kleiden können. Ein anderes Mal wurde die Ministerin für Abkühlung beim Einkaufen mit Regierungssprecher Hiroyuki Hosoda fotografiert. Der zeigte sich am ersten Tag der Cool-Biz-Kampagne in einem Hemd mit ausstehenden Kragen. Es sei für den krawattenlosen Gebrauch im Hochsommer entworfen worden, berichtete Hosoda stolz, und dennoch zu einem Discountpreis von 2.600 Yen im Handel.

Einen ungezwungenen Kleidungsstil durchzusetzen, dürfte in keinem Land schwieriger sein als in Japan, wo selbst das Reinigungspersonal und Handwerker Krawatten tragen. Im Programm des öffentlichrechtlichen Fernsehens berichteten Beamte nun, es sei ihnen schwer gefallen, sich ohne Krawatte zu konzentrieren. Nach einer kurzen Gewöhnungszeit hätten sie sich aber wohl gefühlt.

Doch es gibt auch andere Stimmen im Regierungsapparat. In verschiedenen Ministerien hat sich Widerstand aufgebaut gegen die Energiesparmaßnahme, die offiziell auf Freiwilligkeit beruht. Einzelne Staatsdiener fühlten sich wegen der neuen Vorgabe der Ministerin ihres Rechts auf eine standesgemäße Kleidung beraubt.

Die 52-jährige Koike dürfte das nicht anfechten. Sie ist gewohnt, auch gegen den Strom zu schwimmen. Immerhin war sie die erste Frau, die im japanischen Fernsehen ein Wirtschaftsmagazin präsentierte. Dafür wurde sie 1990 mit einem Preis geehrt. Und als Umweltministerin legte sie sich mit den Fischereiverbänden an. Hohe Hürden sind für sie keine bedrohliche Herausforderung, sie geht sie sportlich an. Das belegt auch das von ihr verfasste Büchlein mit dem Titel „Arabisch in drei Tagen“. Der Titel weist auch darauf hin, dass Frau Koike selbst hohe Temperaturen offenbar ohne Probleme erträgt. Sie hat ihren Universitätsabschluss in Ägypten gemacht.