MATTHIAS STÜHRWOLDT GRÜNLAND
: Die Kühe flippen aus

Es ist Frühling, die Zeit der Freiheit – und endlich geht es raus auf die Weide

Wenn ich als Kuhbauer manchmal von Nichtbauern angesprochen und gefragt werde, was zum Teufel ich denn wohl im Winter mache, dann reagiere ich in letzter Zeit immer etwas ungehalten. Wenn die wüssten!

Schließlich bin ich kein Ackerbauer. Die arbeiten im Sommerhalbjahr viel, dafür sperren manche Ende Oktober den Hof zu und fliegen nach Malle. Ein Kuhbauer kann das nicht. Der muss das ganze Jahr arbeiten, und im Winter stehen alle Rinder im Stall und müssen gefüttert, gemistet, eingestreut und gemolken werden. Der Winter ist für mich ein langer Tunnel aus Arbeit, die mich stinken lässt, als sei ich im Kuhstall zu Hause. Am Ende des Tunnels: der Frühling.

Endlich ist es so weit. Meine Kühe können wieder raus, auf die Weide. Da gehören sie hin. Und ich freu mich jedes Jahr, dass ich es bin, der sie rauslassen darf. Ich liebe es, nach erfolgter Zaunkontrolle zum Stallgatter zu gehen und es zu öffnen. Die Kühe flippen fast aus vor Freude; als großer, hüpfender Klumpen drängen sie hin zur Weide, aber ich als Leittier lasse sie vorerst nicht vorbei. Wehe, eine wagt es, mich zu überholen! Erst auf der Weide bleibe ich stehen und sehe zu, wie meine Herde vor Freude explodiert. Die Kühe sprinten los, schlagen aus, kratzen Kurven, manche tanzen fast vor unbändiger Freude.

Und dann rennen sie. Die ganze Herde, einmal rund um die Koppel, um zu kontrollieren, ob der Zaun auch wirklich dicht ist. Am Ende geht es wieder für eine Runde in den Stall. Das machen sie immer, wahrscheinlich, um beim erneuten Rauslaufen noch einmal diese Freude zu spüren und um sicher zu sein, dass es Realität ist und kein Traum. Sie hüpfen noch einmal, schlagen noch mal aus, tanzen noch mal, und dann ist es gut – und sie fressen Gras. Der Winter ist vorbei. Endlich. Es ist die Zeit der frischen Luft, die Zeit der Freiheit. Die Sinne erwachen. Ich mache Pläne, habe Ideen. Was täte ich ohne den Sommer?

Leider verschwindet die Milchkuh von der Weide. Neulich sagte der Naturschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, wer heute Milchkühe auf der Weide sehe, der solle sie schnell fotografieren, denn sie seien bald weg, eingesperrt im Stall. Zu groß seien die Herden, zu klein die erreichbaren Weideflächen am Stall, zu hoch sei die Milchleistung. Wer einmal gesehen hat, wie sehr sich Kühe auf der Weide freuen, der weiß, dass ganzjährige Stallhaltung großer Mist ist. Arm ist die Kuh der Zukunft, arm ist die Zukunft der Kuh.

Der Autor ist Biobauer in Schleswig-Holstein Foto: privat