EIN PARLAMENTARIER WILL AUS DEM FALL DUTROUX KAPITAL SCHLAGEN
: Dutroux und der Populist

VON RUTH REICHSTEIN

Der Kinderschänder Marc Dutroux hat Belgien jahrelang in Angst und Schrecken versetzt. Jetzt ist sein Phantom wiederaufgetaucht und sorgt in Brüssel und im ganzen Land für Aufregung. Mindestens sechs Mädchen im Alter von 8 bis 19 Jahren hat Dutroux in den 90er Jahren brutal missbraucht, vier von ihnen auch umgebracht. Zwei von ihm entführte achtjährige Mädchen verhungerten eingesperrt, während er im Gefängnis war. Seit 2004 sitzt er im Gefängnis, verurteilt zu einer lebenslangen Haftstrafe.

Aber immer noch leidet die belgische Seele unter den furchtbaren Taten.

Über Dutroux’ Verbindungen zu einem größeren Kinderschänderring gibt es bis heute zahlreiche Spekulationen. Jetzt sind die Wunden wieder aufgebrochen – wegen eines populistischen Abgeordneten im belgischen Parlament.

Laurent Louis hat in einer Pressekonferenz zum Thema Pädophilie angekündigt, Fotos von der Autopsie von zwei Dutroux-Opfern auf seiner Internetseite zu veröffentlichen, um angebliche Fehler der Justiz aus der Ermittlungszeit nachzuweisen.

Nicht nur die Eltern der beiden Mädchen sind darüber schockiert. Die gesamte politische Klasse echauffiert sich. Als der Abgeordnete dann während einer ganz anderen Debatte im Parlament das Wort ergreifen wollte, verließen die übrigen Parlamentarier fast geschlossen den Raum. Mehrere Parteien forderten bereits, die Immunität des sonst sehr unauffälligen Abgeordneten aufzuheben. Außerdem wollen sie in Zukunft keine Gesetze mehr mittragen, an denen er beteiligt ist.

Die Fotos der Mädchen in die Öffentlichkeit zu zerren grenze an Geschmacklosigkeit, erklärten die Vorsitzenden der übrigen Parteien einstimmig.

Laurent Louis ist der einzige Vertreter der Partei Mouvement pour la Liberté et la Démocratie (Bewegung für Freiheit und Demokratie), dessen Vorsitzender er auch ist. Bisher hat man von ihm und seiner Arbeit praktisch nichts gehört.

Nun gilt ihm die volle Aufmerksamkeit der belgischen Öffentlichkeit. Bis auf die ersten Seiten der Tageszeitungen schaffte er es mit seinem grotesken Plan. Umgesetzt hat er ihn übrigens doch nicht.

Er veröffentlichte lediglich die Autopsieberichte, nicht aber die Fotos. Allerdings bot er an, dass interessierte Bürger die Fotos bei ihm zu Hause einsehen könnten. Woher der Abgeordnete die eigentlich vertraulichen Unterlagen bekommen hat, soll jetzt untersucht werden.