Die Suche nach Mustern

Konturen betonen und Volumen auflösen: Die Galerie artMbassy zeigt digital bearbeitete Fotografien von Daniela Finke, der Trägerin des Europäischen Architekturfotografie-Preises 2005

Die Unschärfe schmilzt den Menschen in sein spezifisches Umfeld

VON GLORIA ZEIN

Erst im April des Jahres hat Chiara Erika Marzi ihre neue Galerie eröffnet und hatte sofort ein volles Haus. Die junge Frau ist – sehr zeitgemäß – ein überzeugter „networker“. Das belegt auch das Konzept ihres Projektes am Hackeschen Markt, das sie artMbassy getauft hat: Nach zwei Berliner Jahren will sie mit ihrer Idee und „Botschaft“ weitere Stationen im Ausland einnehmen, um so den Dialog mit internationalen Künstlern und Kulturschaffenden zu intensivieren. Für die Berliner homebase hat sie sich zwei weitere Kunsthistorikerinnen ins Boot geholt, Alexandra Strüven und Judith Metz. Abwechselnd kuratiert jede der drei eine Ausstellung. So fördert das Team unterschiedliche Positionen und den künstlerischen Austausch. In der Eröffnungsausstellung „rooming-in“ demonstrierte Marzi, worum es ihr geht, indem sie eine zart gewebte Rauminstallationen von Kei Takemura aus Japan mit einer Text-Wandarbeit von Peter Möller aus Deutschland konfrontierte – zwei Ansätze, die geprägt sind von den kulturellen Wurzeln der beiden Künstler.

Seit Mitte Mai nun präsentiert die Kunsthistorikerin Judith Metz die zweite Ausstellung von artMbassy. Ihre Wahl fiel auf die gebürtige Hannoveranerin Daniela Finke, der, ein glücklicher Zufall, kurz vor der Vernissage der diesjährige Europäische Architekturfotografie-Preis verliehen wurde. Mit dem Preis, dessen Auslobung 2003 der in Bonn ansässige Architekturbild e. V. übernommen hat, sollen Grenzen der Architekturfotografie ausgelotet werden. Ausgezeichnet werden Fotografen, die den Weg weg von der kommerziellen Auftragsfotografie hin zur fotografisch-künstlerischen Auseinandersetzung mit der gebauten Umwelt suchen. In jährlich wechselnden Themenstellungen werden „urbane Räume“, „Mensch und Architektur“ oder „Architektur und Kontext“ untersucht. Die Preisträger seit 1995 bewegen sich jenseits der gängigen Architekturfotografie und präsentieren Bilder, in denen beispielhafte Bauten nur am Rande erscheinen oder städtebauliche, soziale Situationen kritisch und formal eigenwillig beleuchtet werden. So wundert es wenig, das Daniela Finke den Zuschlag für ihre Fotografien zum diesjährigen Thema „Arbeitsplätze“ erhielt. Seit 2000 beschäftigt sie sich mit Dienstleistungsberufen, fotografierte Hostessen, Flughafenpersonal oder die Lebensretter der DLRG. Dabei strebt sie weniger nach dokumentierenden Abbildern der Realität als nach einem spezifischen formalen Ausdruck: Ihre farbkräftigen, zumeist kontrastreichen Fotografien bearbeitet sie digital, um durch gezielt eingesetzte Unschärfen das Individuelle zu verwischen, die Gemeinsamkeiten in einer Gruppe von Menschen oder die Zeichenhaftigkeit einer Situation zu betonen. Daniela Finke sucht das Tableau, und im Ergebnis erinnern ihre Kompositionen denn auch eher an Gemälde oder Aquarelle als an Fotografie. Konturen von Menschen und Gegenständen werden betont, deren Volumen aber in changierende Farbflächen aufgelöst. Gesichter verschwinden, Kleider wirken wie fließende Kostümierungen und eine Boeing wird zum gelben Modellflugzeug ohne Fenster oder Türen. Dadurch erhalten Finkes Motive etwas Idyllisches. Ruhige, klassische Bildkompositionen unterstreichen diese Wirkung. „Die Technik der changierenden Binnenfarbigkeit und das Interesse an der Farbfläche kennen wir tatsächlich aus den Aquarellen Paul Cézannes“, erklärt die Kuratorin Judith Metz. Den Impressionisten fühle Daniela Finke sich nahe, der Vergleich mit Motiven wie Manets Menschengruppen sei erlaubt.

Für den Architekturpreis hatte Finke vier Fotos eingereicht, die den arbeitenden Menschen in seinem Kontext abbilden: Zwei Hafenarbeiter blicken, mit dem Rücken zum Betrachter, auf das Wasser am Kai. Ein Lebensretter nähert sich seinem Motorboot. Eine Stewardess erwartet am Fuße einer Treppe Fluggäste zum Abstieg auf das Rollfeld. Ein Kontrolleur lehnt im Inneren eines Passagierschiffes. Es fällt die Vereinzelung der dargestellten Menschen auf. Jeder scheint zu warten, sich vorzubereiten. Dabei schmilzt die Unschärfe den Menschen in sein spezifisches Umfeld. Die vier Bilder wirken wie diffuse Erinnerungen an eine Situation, wie man sie als Dienstnehmer kennt: das Warten auf das Öffnen von Türen oder das Ablegen des Schiffes. Das Begleitpersonal bleibt stets an der Peripherie des Blickfeldes. Diese Beiläufigkeit der Wahrnehmung setzt Daniela Finke anschaulich ins Bild. Dabei kann das materielle Umfeld dieser Orte mit dem Begriff Architektur kaum noch beschrieben werden. Flugzeuge, Schiffe und Kräne dominieren den Vordergrund. Statische Behausungen lassen sich, wenn überhaupt, am Horizont nur erahnen. Allein der DLRG-Mitarbeiter bewegt sich vor einem Haus, dessen schmiedeeiserne Fenstergitter aus den Fünfzigern die Fotografin uns gelassen hat, um den Mann kulturell eindeutig zu verorten.

Diese Suche nach dem Musterhaften, danach etwas Spezifisches als Allgemeines vorzuschlagen, ist charakteristisch für Daniela Finkes digitale Bilderkunst. „Patterns of Life“ heißt deshalb ihre Ausstellung, die noch bis 25. Juni in der Galerie artMbassy zu sehen ist.

bis 25. Juni, artMbassy, Anna-Louisa-Karsch-Str. 7, Di.–Sa. 14–19 Uhr