die taz vor neun jahren: hausgemachte ausländerkriminalität
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Hochkonjunktur für Populisten. Ausländische Straftäter schneller abschieben – klingt gut und ist gefährlich falsch, denn die schnellere Abschiebung straffälliger Ausländer wird vor allem Inländer treffen: auf die schiefe Bahn geratene Migranten, die bereits zehn oder zwanzig Jahre in Deutschland leben, und ihre hier geborenen Kinder. Unter dem Vorwand, einige PKK-Aktivisten und Drogendealer retour zu schicken, wird sämtlichen Einwanderern eine Strafe angedroht, die das deutsche Recht gar nicht kennt: die Verbannung.

Diese archaische Bestrafung ist auch nach dem jetzigen Ausländerrecht möglich – nach einer mindestens fünfjährigen Haftstrafe und nur als Kann-Bestimmung. Schon jetzt schafft sie kaum vorstellbare Verwerfungen in Einwandererfamilien. Seit Jahren fordern Juristen und Strafvollzugsexperten ein Ende dieser Doppelbestrafung, doch anstatt die Paragraphen zu streichen, will man nun den Kreis der Betroffenen noch größer ziehen.

Seit Jahren auch stellen Kriminologen klar, daß die „Ausländerkriminalität“ großenteils kein importiertes, sondern ein hausgemachtes Problem ist, das man nicht durch Export lösen kann. Das Gros der Straftäter ist in der bundesrepublikanischen Gesellschaft aufgewachsen, an und in ihr gescheitert, und in ihr kriminell geworden. Doch was von der Realität längst widerlegt ist, regiert unausrottbar in Bonner Köpfen: einmal Ausländer, immer Ausländer. Vera Gaserow, taz, 6. 6. 1996