Überraschend vielfältig

VERWANDLUNG Karamell wird durch Erhitzen aus Zucker hergestellt. Wie Bremer Forscher herausfanden, bleibt davon wenig übrig. Dafür entstehen Tausende anderer Inhaltsstoffe

VON STELLA WÄCHTER

Es gibt ihn in zig Varianten: mit Schokoladen- oder Kaffeegeschmack und auch ganz unkonventionell mit Eierlikör oder Lakritz. Die Rede ist von Karamell.

Wenn Zucker auf Temperaturen über 150 Grad Celsius gebracht wird, beginnt er zu schmelzen und sich zu bräunen. Je nach Kochdauer und -temperatur nimmt das fertige Produkt Schattierungen zwischen goldgelb und dunkelbraun an.

Das Naschwerk hat mehr als 4.000 Bestandteile, wie Forscher der Bremer Jacobs University jetzt herausfanden. Das Team um Nikolai Kuhnert konnte per Massenspektrometrie nachweisen, dass Karamell nur etwa zehn Prozent Zucker enthält. Alle anderen Komponenten bilden sich beim Erhitzen neu.

Interessant könnte diese Information nach weiterer Forschung für Diabetiker werden, da der überraschend niedrige Zuckergehalt Karamell für eine zuckerarme Diät empfiehlt. Vor diesen neuen Ergebnissen hatte mehr als 100 Jahre lang niemand zu dem Thema gearbeitet und das Karamellisieren war ein Feld von Legenden.

Nichtsdestotrotz wurde die braune Masse in der Zwischenzeit munter konsumiert. Dabei steht nicht überall Karamell drauf, wo auch Karamell drin ist. Täglich begegnet er uns als Farbe in Cola-Whiskey, Bier und fast allem, was sonst noch braun gefärbt ist. Natürlich handelt es sich dabei um geringe Mengen und heißt Zuckercouleur. Weitaus mehr der quietschsüßen Substanz futtern wir jedoch in Form von Kuchen und Schokoriegeln, als Sirup oder Bonbons.

Karamell tritt in vielen Gewändern auf: flüssig, in dekorativen Fäden, hart wie Granit. Für die weiche Toffeevariante hat sich die Firma Savitor entschieden, die seit den 1980er-Jahren von Hamburg aus das „Kuhbonbon“ vermarktet. „Unsere Weichkaramellen bestehen in der Hauptsache aus Zucker, Glucose, Milchpulver und Butter“, erklärt Wojtek Gorka vom Vertrieb. Im Gegensatz zu reinem Karamell werden weiche Bonbons mit zusätzlichen Zutaten hergestellt.

Der Produktionsvorgang der Toffees, die vor allem in Polen eine lange Tradition haben, ist simpel: Alle Ingredienzen werden in einen großen Kessel gegeben, auf die erforderliche Temperatur gebracht und unter ständigem Rühren gekocht. Hat die Masse die gewünschte Farbe und den erhofften Geschmack, gießt man sie auf einen Kühltisch. Sobald sie erkaltet ist, schneidet eine Maschine sie in Stücke und wickelt Bonbons daraus.

Je länger und heißer man kocht, desto dunkler, herber und fester wird am Ende der Karamell. Süßigkeitenfantasten und -visionären sind beim Erfinden und Mischen neuer Geschmacksrichtungen kaum Grenzen gesetzt. Das Dazukombinieren von neuen Aromazutaten, Nüssen und Ähnlichem ist unproblematisch. Nur die Menge will genau abgestimmt sein.

Auch zu Hause kann man sehr einfach Karamell herstellen. Schon eine Pfanne, ein Herd und ein Rührutensil reichen aus, um die Küche in ein Schlachtfeld und gewöhnlichen Haushaltszucker in kleine, braune Klumpen zu verwandeln. Wer das Zuckerzeug nicht mehr aus der Pfanne bekommt, kann Wasser dazu gießen und erhält nach längerem Rühren Karamellsirup.

Den kann man dann zum Beispiel in seinen Kaffee schütten. Womit wir wieder beim Ursprung der Geschichte wären. Denn eigentlich interessierte sich die Jacobs University dafür, was beim Rösten mit dem Zucker in der Kaffeebohne geschieht.