Fridays for Future plant Volksinitiative: Hamburgs Klimagesetz Beine machen

Die Hamburger Ortsgruppe von Fridays for Future will die Stadt zum schärferen Klimaschutz zwingen. Dafür soll ab Januar eine Volksinitiative starten.

Pappschild mit der Aufschrift "Tut was!"

Wollen jetzt selber was tun: Hamburger Ortsgruppe von Fridays for Future Foto: Markus Matzel/Imago

Hamburg taz | Wenn im Januar Hamburgs verschärftes Klimaschutzgesetz in Kraft treten soll, wollen Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen um Fridays For Future (FFF) zeitgleich Unterschriften sammeln, um diese Gesetzesnovelle schnellstmöglich zu Fall zu bringen: Die Hamburger Ortsgruppe plant eine Volksinitiative, die Hamburg schon früher als geplant zur Klimaneutralität verpflichtet.

„Das Hamburger Klimaschutzgesetz reicht nicht aus“, sagt FFF-Sprecherin Lou Töllner. Nach dem Willen von FFF sollen die Ham­bur­ge­r:in­nen 2025, zeitgleich zur Bundestagswahl, über einen verschärften Gesetzesvorschlag abstimmen.

So soll sich Hamburg das Ziel setzen, fünf Jahre früher als anvisiert, also schon 2040, klimaneutral zu sein. „Das Problem sind aber gar nicht primär die Ziele“, sagt Töllner. „Wir wollen mit der Volksinitiative Klimaschutz verbindlich machen.“ Deshalb wollen die Klimaaktivist:innen, dass das Klimaschutzgesetz des rot-grünen Senats um verpflichtende jährliche Zwischenziele in den CO2-emittierenden Sektoren Verkehr, Industrie, Private Haushalte und Gewerbe/Handel/Dienstleistungen ergänzt wird.

Das fordern Umwelt- und Klimaschutzorganisationen schon seit Monaten, denn sonst wisse ja niemand, ob Hamburg seinen CO2-Reduktionszielen näher kommt. „Wenn Se­na­to­r*in­nen ihre Ziele reißen, müssen sie Vorschläge machen, um die Lücke zu schließen“, sagt Töllner. So könne Klimaschutz nicht weiter verzögert werden.

Klimaschutz mit sozialem Ausgleich

Mit der „Volksinitiative Zukunftsentscheid“ sollen in Hamburg „stärkere, verbindlichere und sozial verträgliche Anstrengungen zum Klimaschutz“ ermöglicht werden. Besonders letzteres sieht FFF durch die Novelle des Klimaschutzgesetzes nicht gesichert. „Aktuell wird zwar die Sozialverträglichkeit geprüft, aber muss nicht vom Senat berücksichtigt werden“, sagt Töllner. „Mit dem Zukunftsentscheid wollen wir dazu verpflichten, Ausgleichsmechanismen zu schaffen und damit sozial gerechten Klimaschutz voranzubringen.“

Im Frühjahr hatte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) die verschärften Ziele des Senats bekannt gegeben: Bis 2030 will er den CO2-Ausstoß gegenüber 1990 um 70 Prozent drücken, 2045 soll Hamburg klimaneutral sein. Im August stellte Kerstan dann auch vor, wie das gelingen soll: Der Klimaplan, der die Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele auflistet, beinhaltet erstmals etwa eine Photovoltaikpflicht für Bestandsgebäude, eine um 50 Prozent steigende energetische Sanierungsrate bei Gebäuden oder auch den bereits angestoßenen Kohleausstieg bei der städtischen Fernwärmeversorgung.

Nach mehreren Ausschusssitzungen in der Bürgerschaft ist aber klar, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen werden. Selbst der zuständige Staatsrat räumte ein, dass sich Hamburg mit seinen Maßnahmen nicht mehr am 1,5-Grad-Ziel orientiert, sondern auf die Einhaltung des 1,75-Grad-Ziels hofft – und auch das nur mit 67-prozentiger Wahrscheinlichkeit. Damit sei Hamburg allerdings immer noch deutlich zielstrebiger als der Bund und andere Bundesländer.

Die Volksinitiative hat sich zum Ziel gesetzt, schon im Herbst 2025 – parallel zur Bundestagswahl – die Ham­bur­ge­r:in­nen abstimmen zu lassen. Auf dem Weg dorthin müsste die Ini im ersten Schritt 10.000 Unterschriften sammeln. Sollte die Bürgerschaft nicht für den vorgelegten Gesetzesentwurf stimmen, könnten die Ak­ti­vis­t:in­nen im nächsten Schritt ein Volksbegehren starten – dafür brauchen sie rund 65.000 Unterschriften innerhalb von drei Wochen. Wenn auch dann die Bürgerschaft der Initiative nicht folgen will, könnte es zum Volksentscheid kommen.

Grüne zeigen sich offen für Vorschläge

Die Reaktionen auf den Vorstoß von FFF sind positiv: Umweltorganisationen wie der BUND wollen ebenfalls noch eine Verschärfung des Gesetzes erreichen. „Wir unterstützen daher die Volksinitiative“, sagt Lotta Repenning vom BUND Hamburg. Die Gewerkschaft Ver.di schließt sich den Forderungen der Initiative ebenfalls an: „Wir unterstützen die Forderung nach konkreten Einsparplänen für die einzelnen Sektoren und die gesetzliche Verpflichtung zur Sozialverträglichkeit von Maßnahmen“, sagt Sandra Goldschmidt, Landesbezirksleiterin von Ver.di Hamburg.

Auch die mitregierenden Grünen halten die Volksinitiative für einen „interessanten Impuls“ über den diskutiert werden müsse: „Wir Grüne befürworten Transparenz und Verbindlichkeit bei der Erreichung von Klimazielen, kombiniert mit einer umfassenden Sozialverträglichkeit“, sagt Dominik Lorenzen, Fraktionschef der Grünen in der Bürgerschaft.

Die zuständige Umweltbehörde zeigt sich zwar zurückhaltend, aber nicht sonderlich ablehnend den Forderungen gegenüber: „Im vorgelegten Gesetzestext der Volksinitiative sind Punkte enthalten, die auch im Senat diskutiert wurden“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Für eine abschließende Bewertung sei es aber noch zu früh.

Dabei hatte Umweltsenator Kerstan schon in der Vergangenheit erklärt, dass auch er gerne weiterreichende Maßnahmen beschlossen hätte – nur seien die in der Koalition nicht durchsetzbar gewesen.

Allerdings kommen nun immerhin schon von den Jusos positive Reaktionen auf den Vorstoß von FFF: „Die Klimakrise ist eines der entscheidendsten Themen für junge Menschen und zukünftige Generationen. Klimaschutz und dessen soziale Auswirkungen werden dabei aber häufig gegeneinander ausgespielt oder gar nicht erst zusammen gedacht“, erklärten etwa die beiden Juso-Vorsitzenden im Bezirk Hamburg-Nord. „Wir begrüßen daher jede Initiative, die den Anspruch stellt, beides wirksam zu vereinen.“

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