Gegendemo zum Einheitsfest in Hamburg: Ein Plakat verschwindet

Wie angekündigt darf Deutschland nicht als „ein Stück Scheiße“ bezeichnet werden. Doch der Protest gegen die Einheitsfeier bleibt friedlich.

Demonstrant*innen hinter dem Hamburger Hauptbahnhof mit einem Plakat, auf dem "zensiert" steht

„Zensiert“: Zu Beginn der Demo war der strittige Teil des Transparents noch versteckt Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | Bereits eine Viertelstunde nach seinem Start am Hamburger Hauptbahnhof wird der Demonstrationszug ausgebremst: „Stellt euch nicht so an, macht die Straße frei“, ertönt es durch den Lautsprecher, als die Teilnehmenden um 20 Uhr an der Lombardsbrücke zum Stehen kommen, mit Blick auf die Binnenalster, wo die Bürgerfest-Feierlichkeiten mit blinkenden Lichtern und herüberschwappender Musik in vollem Gange sind.

Die Polizei, die die Gegendemo gegen die Einheitsfeier mit großem Aufgebot begleitet, will vor einer Fortsetzung zunächst das große Transparent mit dem Schriftzug „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ verschwinden sehen. Diesen Satz hatten die Veranstalter ursprünglich zum Demo-Motto erklärt, dann aber auf Einspruch der Behörden ein „Zensiert“ darübergeklebt.

Das „Zensiert“ ist nun abgerissen, der verbotene Satz steht wieder da. Für den am Rand stehenden Passanten Mika ist die Aktion „eine Frechheit“. Die soziale Spaltung vergrößere sich dadurch nur, außerdem gehe es bei dem Feiertag um die Geschichte und nicht das Handeln der aktuellen Regierung.

Die Demo darf erstmal auf ihrer Route ins Schanzenviertel weiterziehen. Der zweite unfreiwillige Stopp erfolgt um 20:45 Uhr. Das Transparent muss nun endgültig eingerollt werden, außerdem wird die unerlaubte Vermummung von Personen in dem an der Spitze laufenden schwarzen Block bemängelt. Die Durchsage der Polizei wird mit Sprechchören à la „Alle Bullen sind Schweine“ beantwortet. Auf einer Werbetafel am Straßenrand steht: „Wir wünschen Hamburg einen schönen Tag der Deutschen Einheit 2023“.

Nach einigen Minuten geht es weiter, vorbei an zahlreichen Schaulustigen. „Ich bin nicht deren Meinung, aber das muss ich auch nicht sein“, sagt Thomas Fleckenstein. „Aber ich freue mich, dass wir das in Deutschland machen können“, sagt er noch, bevor er den Straßenrand verlässt und zurück in ein Lokal geht.

Einzelne Festnahmen und mehrere Strafverfahren

Um 21:30 Uhr erreichen die Demonstrierenden dann den Schlusskundgebungsort am Neuen Pferdemarkt im Stadtteil St. Pauli. „Wer hätte das gedacht?“, höhnen die Spre­che­r*in­nen angesichts der Verzögerungen. Nach dem offiziellen Ende der Versammlung kommt es zu einzelnen Festnahmen, laut Polizei laufen mehrere Strafverfahren.

„Das ist schon ganz schön repressiv“, sagt Teilnehmerin Verena, die das Geschehen mit etwas Abstand beobachtet. Die viele Polizei, Pferdestaffel und das hektische Rennen und Geschubse hat bei ihr Angst ausgelöst. Sie findet es schön, dass einige Menschen Solidarität mit den Festgenommenen gezeigt haben und während des Zugriffs niemand allein gelassen wurde. Zusammen mit ihrer Begleitung, Chris, wolle sie sich nun auf die Suche nach einer Mahnwache vor einer Polizeistation machen.

Mit der Demo wollen die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen klar machen, dass es ihrer Meinung nach am Tag der Deutschen Einheit nichts zu feiern gibt. Das Land bewege sich seit der „Annexion der DDR in das kapitalistische System der Bundesrepublik“ nach rechts. Die „autoritäre Formierung in Deutschland“ habe den Boden für die „rassistischen Taten des NSU“ und das Aufkommen der AfD bereitet.

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