Mohammed al-Baradei gründet eine neue Partei

ÄGYPTEN Der Expräsidentschaftskandidat und Friedensnobelpreisträger macht wieder Politik

AUS KAIRO RAPHAEL THELEN

Mohammed al-Baradei gehört zu den bekanntesten Gesichtern der ägyptischen Revolution. Der ehemalige Chef der Internationalen Atomenergiebehörde gilt für viele junge ägyptische Revolutionäre als einer der wenigen glaubwürdigen Politiker des Landes. Dementsprechend groß war der Andrang am Wochenende, als der 69-Jährige in Kairo die Gründung seiner neuen Partei bekannt gab. „Es ist an der Zeit, einen umfassenden politischen Prozess zu starten, um die Ziele der Revolution zu verwirklichen“, sagte al-Baradei. „Es gilt die Revolution zu retten, bevor sie vollends entgleist.“

Gemeinsam mit dem bekannten ägyptischen Schriftsteller Alaa al-Aswani und weiteren bekannten Gesichtern der Revolution will al-Baradei die zersplitterte revolutionäre Opposition vereinen und bei den Parlamentswahlen in vier Jahren zum Sieg führen. „Ich bin optimistisch, dass unsere Partei Millionen von Mitgliedern anziehen wird“, rief er seinen jubelnden Fans zu.

Al-Baradei hatte im Januar seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen zurückgezogen. Vor allem das Fehlen einer neuen Verfassung galt dabei als Problem. „Es ist absurd, einen Präsidenten zu wählen, bevor es eine Verfassung gibt“, sagt Namira Negm, politische Analystin aus Kairo. „Wie kann man jemandem einen Posten geben, ohne seine Rechte und Pflichten festzulegen? Wie kann man so jemanden zur Rechenschaft ziehen?“

Neuer Demokratiefahrplan

Dementsprechend fordert al-Baradeis „Partei der Verfassung“ die Neuordnung des Demokratiefahrplans. Anfang des Monats war die vom Parlament eingesetzte verfassunggebende Versammlung vom obersten Verwaltungsgericht aufgelöst worden. Am Wochenende haben sich der Militärrat und eine Vielzahl von Politikern und Parteien auf eine neue Zusammensetzung für die Versammlung geeinigt. „Wenn die neue Versammlung Tag und Nacht durcharbeitet und sich bei der alten Verfassung bedient, könnte sie es schafften“, sagt Negm. „Falls es jedoch Konflikte gibt, ist die Zeit zu kurz bis zur ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 23. Mai.“ Kritische Punkte umfassen die zukünftige wirtschaftliche Ordnung Ägyptens, das Verhältnis von Religion und Staat und die Privilegien des Militärs.

Wie instabil die Situation in Kairo ist, zeigte sich Sonntagnacht. Salafisten, die gegen die Disqualifizierung ihres Präsidentschaftskandidaten protestierten, wurden attackiert. Dabei wurden 91 Personen verletzt.