Weiß-blaue Magie

Mit einem großartigen 3:1-Sieg gegen den Erzrivalen Brasilien qualifiziert sich Argentinien für die WM 2006

BERLIN taz ■ Einen „Schrei im Herzen der Geschichte“ nannte die argentinische Zeitung Clarín gestern schwelgerisch den berauschenden 3:1-Sieg in der WM-Qualifikation gegen Brasilien. Es war ein perfekter Abend für das argentinische Team, die Zuschauer im Stadion von River Plate zu Buenos Aires, die Fußballfans im ganzen Land und vor allem den Trainer José Pekerman, der sein Amt erst im letzten Herbst antrat und seitdem verzweifelt um Anerkennung ringt. Wohlwollend wurde zur Kenntnis genommen, dass er am Abend seines bislang größten Triumphes nicht vergaß, dem Vorgänger Marcelo Bielsa „eine Umarmung“ zukommen zu lassen, wenn auch nur verbal.

Denn Bielsa hatte den Grundstein dafür gelegt, dass sich die Weiß-Blauen mit dem Sieg gegen Brasilien als erstes südamerikanisches Team für die WM 2006 in Deutschland qualifizieren konnte. Ein Ziel, das trotz der Schlappe vom Mittwoch auch die Brasilianer so gut wie erreicht haben. Ihnen fehlen noch maximal drei Punkte aus den letzten drei Spielen.

Gegen Argentinien war das Team von Carlos Alberto Parreira, welches das Hinspiel ebenfalls mit 3:1 gewonnen hatte, eine Halbzeit lang komplett chancenlos. Schon nach drei Minuten brachte Hernán Crespo die Sambatrommeln der 3.500 mitgereisten brasilianischen Fans zum Schweigen und versetzte den Rest des Publikums, der zuvor die Abwesenheit des berühmtesten Brasilianers mit „Ronaldo hat Schiss“-Gesängen gefeiert hatte, in Euphorie. Danach deckten die Argentinien schonungslos die Defizite der ältlichen Verteidiger Cafú und Roberto Carlos auf, an denen Kily González und „El Conejo“ (das Kaninchen) Javier Saviola immer wieder vorbeiflitzten, während Juan Román Riquelme im Zentrum voller Majestät das Spiel lenkte. Bereits nach 39 Minuten stand es durch Treffer von Riquelme und erneut Crespo 3:0. Auf der anderen Seite waren Emerson und Ze Roberto gar nicht zu sehen, Ronaldinho und Kaká wenig. „Hohes Konzentrationsniveau“ und „enormen Druck in allen Bereichen“, bescheinigte Clarín der Selección, kurzum: „eine fußballerische Superproduktion“. Sätze, die sich der wegen seiner defensiven Orientierung oft kritisierte José Pekerman vermutlich einrahmen und an die Wand hängen wird.

Erst in der zweiten Halbzeit konnten sich die Trommeln aus dem brasilianischen Block wieder Gehör verschaffen, denn plötzlich bestimmte das Team von Parreira die Partie. Dies lag vor allem an Ronaldinho und Kaká, die in der ersten Hälfte ihre Energien vorzugsweise in kleinere Raufereien investiert hatten, weshalb Ronaldinho in der nächsten Partie gegen Chile gelbgesperrt ist.

Nach der Pause begannen beide, Fußball zu spielen, immerhin hat ja vor allem Kaká jüngst in Diensten des AC Mailand erfahren müssen, dass auch ein 0:3 kein aussichtsloses Resultat ist. Es reichte jedoch nur noch zu einem Freistoßtreffer von Roberto Carlos, den 34. argentinischen Sieg im 89. Aufeinandertreffen konnten die Brasilianer nicht mehr verhindern. Sie haben 33 Matches für sich entschieden, die Gelegenheit wieder auszugleichen könnte sich schon in diesem Monat beim Confederations-Cup in Deutschland ergeben. MATTI LIESKE