Blühende Landschaften

BILDUNGSARBEIT Trotz Kürzungen des Landes ist das Angebot an politischer Erwachsenenbildung in Niedersachsen vielfältig geblieben. Sogar auf dem platten Land kann man über die Entwicklung der Golfstaaten diskutieren. Ein Blick in die Seminarräume

„Berufstätige ziehen im Zweifelsfall eher das Excel-Seminar vor“

Andreas Zieske, Haus Sonnenberg

VON JANKO RAAB

Um die Formulierung hehrer Ziele ist die niedersächsische Landesregierung nicht verlegen: Politische Bildung soll über Normen von Politik und Gesellschaft informieren, für demokratische Verhaltensweisen befähigen und zur Akzeptanz demokratischer Grundwerte hinführen, so zumindest die Theorie, die auf der Homepage des Kultusministeriums zu lesen ist.

An der praktischen Umsetzung hapert es allerdings: Seit 2005 hat Niedersachsen als einziges Bundesland keine Landeszentrale für politische Bildung mehr. Auch zahlreiche Initiativen der Opposition zur Wiedereinführung der Landeszentrale – zuletzt vor fünf Monaten ein Antrag der Linken im Landtag – blieben ohne Erfolg.

Bei den Einrichtungen der Erwachsenenbildung wurde in den letzten Jahren deutlich gekürzt. Dass es dennoch zahlreiche Angebote und Initiativen gibt, ist nicht das Verdienst der Landesregierung. Träger der politischen Erwachsenenbildung sind Gewerkschaften, (Heim-)Volkshochschulen, Kirchen, Verbände und Bildungsinitiativen.

Das Angebot ist bunt und richtet sich an der jeweiligen Zielgruppe aus. Gewerkschaften bieten Veranstaltungen für Arbeitnehmer und Betriebsräte an. Kirchen wenden sich an vor allem an ihre Mitglieder und an Menschen, die sich für Glaubensfragen interessieren. Insbesondere die ländliche Bevölkerung hat der Verein Ländliche Erwachsenenbildung im Blick.

Vor allem auf die Bildungsarbeit mit älteren Menschen konzertiert sich die Initiative „Freie Altenarbeit Göttingen e. V“. Wer möchte, kann sich im Vereinshaus in Göttingen über „Kollektivhäuser in Schweden“ informieren oder über die „Verkehrswende mit oder ohne Automobil?“ diskutieren. Das Besondere der Bildungsarbeit dieses Trägers ist, dass er die Themen mit der Lebenssituation der älteren Menschen und ihren persönlichen Erinnerungen verbindet.

Speziell um Frauen geht es beim Verein „WEIBSBILDung“ mit Sitz in Volzendorf oder im Frauen-Stadthaus Nienburg, das neben beruflicher Qualifizierung auch politische Bildungsarbeit betreibt. Ibis, die Interkulturelle Arbeitsstelle für Forschung, Dokumentation, Bildung und Beratung, hat wiederum die „Integration von MigrantInnen in Oldenburg und darüber hinaus“ zum Ziel. Hier liegt der Schwerpunkt auf lebenspraktischen Themen wie Sprachen oder beruflicher Fortbildung.

„Berufstätige ziehen im Zweifelsfall eher das Excel-Seminar vor“, sagt Andreas Zieske, Leiter des Internationalen Haus Sonnenberg im Oberharz. Politische Seminare werden deshalb seltener. Das zeigt sich auch in den Angeboten der Regionalverbünde der 60 niedersächsischen Volkshochschulen (VHS). Arbeitsschwerpunkte dieses größten Bildungsträgers sind Sprachkurse, kulturelle Themen, Gesundheit, EDV, berufliche Bildung sowie die Junge VHS, ein Angebot an junge Menschen.

Politische Themen stehen nicht im Zentrum, aber es gibt sie. So veranstaltet die VHS Calenberger Land im Sommer ein „Welthistorisches Colloquium“, das sich unter anderem mit der Arabischen Revolution beschäftigen wird. Während die VHS Landkreis Harburg im Mai in Winsen ein Seminar zur Sonnenenergie anbietet.

Um ein besonderes Anliegen geht es im Internationalen Haus Sonnenberg: „Unsere Seminare sollen dazu dienen, dass Menschen zusammenkommen“, sagt Geschäftsführer Zieske. Das Konzept: mehrtätige Veranstaltungen zu Themen wie Globalisierung, Ökologie und Europa. „Auch an junge Erwachsene richten wir unser Angebot“, sagt Zieske. Im Oktober plant man ein siebentägiges Seminar zum „Rhythmus von Europa“. Erwartet werden Gäste aus unterschiedlichen Teilen des Kontinents. „Sprache spielt dann eine wichtige Rolle“, sagt Zieske. Dafür hat man sogar Dolmetscher-Anlagen.

Wichtiger aber als die Bildungsarbeit ist hier allen, dass Gemeinschaftsgefühl entsteht. Und dieses Ziel stehe nicht nur auf dem Papier, sagt Zieske: „Hier entwickeln sich Freundschaften.“