Neonazis an die Wäsche gehen

DEMONSTRATION In Friedrichshain und Lichtenberg protestieren 600 Leute gegen Klamottenläden

Die Polizei hatte die Demo nur mit Auflagen erlaubt, Glasflaschen und Büchsen waren verboten

„Tromsø“ ist die größte Stadt im nördlichen Norwegen, bei einem „Jeton“ handelt es sich für gewöhnlich um Spielgeld, und „Horrido“ ist als alter Jägersruf bekannt, der auch bei der Bundeswehr Verwendung findet. Doch alle drei Bezeichnungen sind auch Namenspate für Lokalitäten, die in Verbindung mit der rechtsextremen Szene stehen.

Hinter zweien dieser Namen stecken Bekleidungsgeschäfte. Das „Tromsø“ ist ein Outletstore der unter Rechten beliebten Modemarke „Thor Steinar“ in der Petersburger Straße in Friedrichshain. Im Mai eröffnete das „Horrido“ in Lichtenberg. Laut der Antifa Hohenschönhausen vertreibt dieser Laden Kleidung des Steinar Konkurrenzlabels „Erik&Sons“ sowie Produkte der Bremer Hooliganband „Kategorie C – Hungrige Wölfe“. Gegen die Läden demonstrierten am Samstag nach Polizeiangaben 600 Menschen. Aufgerufen hatte dazu die Hohenschönhausener Antifagruppe. Die Polizei hatte die Demo nur mit Auflagen erlaubt, Glasflaschen und Büchsen waren verboten.

Erste Station der Demo war „Tromsø“. Das Geschäft war geschlossen und von Polizisten abgeschirmt. Das nächste Ziel war das „Horrido“. In der Umgebung mehren sich Deutschlandfahnen an den Fenstern. Ein stiller Protest von rechts gegen die Demo oder dauerhaftes Flaggezeigen? Die Teilnehmer animierte der Anblick jedenfalls zu Sprechchören.

Auch Christian Ströbele schob sein Rad in dem Demozug mit. „Eigentlich habe ich heute einen vollen Terminkalender“, sagte der Grünen-Direktkandidat für den Bundestag. Aber es sei wichtig, hier dabei zu sein. „Letztes Mal waren es zwar mehr Leute, dafür ist es toll, dass heute viele junge Menschen gegen rechts auf die Straße gehen.“

Ströbele bezog sich auf eine Demo mit 3.000 Teilnehmern vor mehreren Wochen nach einem Mordanschlag auf einen Antifa. Bei dem Übergriff am 12. Juli am Bahnhof Frankfurter Allee verletzten vier Rechte den Linken Jonas K. lebensgefährlich. Die Angreifer, die derzeit in Haft sitzen, hatten sich zuvor in der Discothek „Jeton“ amüsiert. Das Opfer Jonas K. ist inzwischen wieder ansprechbar.

Paul Fritsch von der Antifa Höhenschönhausen erklärte die Motivation für die Demonstration: „Nachdem es um die Diskothek ‚Jeton’ wieder ruhiger wurde, ist es an der Zeit, die Öffentlichkeit auf die rechte Problematik hinzuweisen.“

Nach zwei Stunden nähert sich die Demo dem Bahnhof Friedrichsfelde, dem Endpunkt. Bis auf ein paar Leuchtkugeln, die von einem Dach abgefeuert wurden, gab es keine Zwischenfälle. TOBIAS SINGER