Atombombenstreit im Eifel-Idyll

In Büchel in der Eifel lagern die letzten Atomwaffen auf deutschem Boden: 20 Bomben der US-Luftwaffe. Jetzt setzt sich auch Verteidigungsminister Peter Struck für einen Abzug ein. Doch der Ort fürchtet das Aus für den Stützpunkt

„US-Atombomben mitten in Westeuropa machen ganzwenig Sinn“

BÜCHEL taz ■ Büchel in der Eifel ist ein trostloser Ort: Zwei Pizzerien, ein Gasthof, ein Bistro, eine Sparkasse, eine Raiffeisenbank, die Bäckerei Lutz, die katholische Kirche. Das war’s. Verschlafen aber ist das Nest nicht. Schließlich donnern die Düsenjäger vom nahen Fliegerhorst der Bundesluftwaffe über die Gemeinde. Die Soldaten vom 33. Jagdgeschwader der Bundesluftwaffe sind in der Fliegerkaserne im Cochemer Stadtteil Brauheck untergebracht, gut zehn Kilometer von ihrem Arbeitsplatz auf dem Fliegerhorst Büchel entfernt. Dort treffen sie auf US-amerikanische Kameraden, die auf der deutschen Base „Sonderwaffen“ warten und bewachen.

Büchel in der Eifel kennen sie jetzt auch bei den Vereinten Nationen in New York. Elke Koller von der Friedensgruppe Cochem-Zell war Anfang Mai dort. Es wurde über „Sonderwaffen“ und ihre Vernichtung diskutiert, v. a. auch in der Bundesrepublik.

„Sonderwaffen“ ist das Synonym der Bundesluftwaffe für Atombomben. Exakt 20 Stück der Marke E 61 sollen sich noch in Büchel befinden. Es sind die wohl letzten Atomwaffen auf deutschem Boden. Auf der Nato-Tagung in der vorigen Woche hatte Verteidigungsminister Peter Struck das Thema erstmals vor diesem offiziellen Gremium zur Sprache gebracht. Allerdings verzichtete er darauf, auch wirklich auf einen Abzug zu drängen.

Die Grünen in der Eifel und an der Mosel reden schon seit Jahren über das Thema. Wegen der Proteste ist derzeit noch ein Verfahren gegen vier Atomwaffengegner beim Oberlandesgericht in Koblenz anhängig. Sie hatten auf Flugblättern behauptet, dass die Teilhabe der Bundeswehr an US-amerikanischen Atomwaffen völkerrechts- und grundgesetzwidrig sei. Deshalb hätten die Soldaten das Recht zur Befehlsverweigerung.

Das Amtsgericht Cochem hatte erstinstanzlich geurteilt, von diesen Flugblättern sei eine Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland ausgegangen. In der zweiten Instanz hob das Landgericht Koblenz den Schuldspruch dann auf und bescheinigte den Friedensaktivisten eine „respektable und diskutable Rechtsauffassung“. Dagegen legte wiederum die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel ein.

Tatsächlich sind die Besatzungen der in Büchel stationierten Luftwaffen-Tornados dazu ausgebildet worden, auch die US-Atombomben aufnehmen und abwerfen zu können. Genau das, sagt die Friedensaktivistin Elke Koller, verstoße gegen den Artikel 2 des Nichtverbreitungsvertrages für Atomwaffen. Es impliziere die Nichtbeachtung des verfassungsmäßigen Rechtes aller Menschen auf ihre körperliche Unversehrtheit. Inzwischen haben die rheinland-pfälzischen Regierungsparteien SPD und FDP sowie die oppositionellen Grünen Anträge zum Abzug der Atomwaffen im Landtag eingebracht.

Im strukturschwachen Landkreis selbst befürchten allerdings auch Sozialdemokraten den Verlust von Arbeitsplätzen, wenn die Atombomben verschwinden sollten. Dann stünde der Fliegerhorst womöglich vor dem Aus.

Womöglich löst sich der Konflikt auf sozialverträglichere Art und Weise: So sollen in ein paar Jahren moderne Eurofighter die veralteten Bücheler Tornados ablösen. Das wäre eine Zukunftsgarantie für den Fliegerhorst. Eurofighter allerdings lassen sich nicht auf atombombentauglich umrüsten.

Ein Hinweis auf den bevorstehenden Abzug der Atombomben? Die SPD-Landtagsabgeordnete Heike Raab glaubt daran – und an den Erhalt der Base. Der Cochemer Landrat Eckhard Huwer (CDU) hatte dagegen auf taz-Anfrage „zu diesem verteidigungspolitischen Thema keine Meinung“ und verwies „auf die dafür zuständige Bundesregierung“.

Was aber wird aus den Atombomben in Büchel nach einem eventuellen Regierungswechsel in Berlin? Friedensaktivistin Koller ist optimistisch. Nicht wegen einer Kanzlerin Merkel, sondern wegen der Amerikaner selbst. In Washington werde sich, glaubt sie, schon bald die Auffassung durchsetzen, dass amerikanische Atombomben mitten in Westeuropa „ganz wenig Sinn machen“. Dann, sagt sie, habe sich der lange Kampf gegen die Bomben am Ende doch noch gelohnt.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT