Reisedokumente für Exil-Eritreer: Der schwierige Weg zum Pass

Wer in Deutschland lebt und als Eritreer ein Reisedokument benötigt, muss viele Hürden überwinden. Brandenburg und Bayern gehen sehr restriktiv vor.

EIn blauer Reisepass

Reiseausweis für Asylberechtigte Foto: imago

BERLIN taz | Der Pass ist eines der wichtigsten Dokumente, der das Leben von Menschen maßgeblich prägt. Ohne dieses Dokument gibt es oft erhebliche Probleme. Diese Erfahrung macht derzeit der eritreische Asylberechtigte Jonas Melake (Name geändert) aus Neuruppin in Brandenburg. Um einen Pass von der Botschaft seines Verfolgerstaates Eri­trea zu bekommen, müsste er auf der Botschaft erklären, die Flucht aus Eritrea – einer der brutalsten Diktaturen weltweit – zu bereuen und sich der eri­treischen Strafjustiz zu unterziehen.

Außerdem müsste er erst einmal zwei Prozent seiner Einkünfte seit seiner Flucht aus Eritrea 2017 als Steuern an den eritreischen Staat zahlen, bevor sein Passantrag überhaupt bearbeitet wird. Beides ist für Melake undenkbar. Ein Onkel und eine Nichte von Melake leben in zwei verschiedenen EU-Staaten. Der Mann, der in Neuruppin als Hotelfachkraft arbeitet, würde sie gern einmal im Urlaub besuchen. Er möchte auch gern nach Äthiopien reisen, wo weitere Verwandte von ihm leben. Ohne Pass geht das aber nicht.

Vielen subsidiär schutzbedürftigen Geflüchteten aus Eritrea geht es wie Melake. Darum hat sich im vergangenen Herbst auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit dem Thema befasst. Die Ausländerbehörden müssen Menschen, die glaubhaft machen, die Reueerklärung aus Gewissensgründen nicht unterschreiben zu können, einen Reiseausweis für Ausländer ausstellen, urteilten Deutschlands oberste Verwaltungsrichter.

Doch Brandenburg setzt das Urteil nicht um. Die Ausländerbehörde Ostprignitz-Ruppin forderte Melake auf, sich in der eritreischen Botschaft eine ID-Karte zu holen, um seine Identität nachzuweisen. Das Schreiben liegt der taz vor. Ein Sprecher des Landratsamtes sagt auf Anfrage der taz, man prüfe den Fall gerade. Doch auch eine ID-Karte ist eine konsularische Leistung und ohne Reueerklärung und Zweiprozentsteuer nicht zu haben.

Strenges Vorgehen in Brandenburg

Der Verein Eridac, der sich für Eritreer einsetzt, kennt vergleichbare Fälle aus anderen Brandenburger Landkreisen. Der taz liegt ein Rundschreiben des Brandenburger Innenministeriums vor, laut dem die Ausländerbehörden Eritreer zur eritreischen Botschaft schicken sollen, um zu sehen, ob die Reueerklärung von ihnen tatsächlich verlangt wird. Denn das Innenministerium – so schreibt es ein Sprecher der taz – geht davon aus, dass das nicht immer der Fall sei.

Das sehen andere Bundesländer anders. Berlin, Hessen, Niedersachsen und Thüringen stellen laut der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl und ortsansässiger Anwälte Reiseausweise für Ausländer aus, ohne die Eritreer zur eritreischen Botschaft zu schicken. Der taz liegen Erlasse aus diesen Ländern vor, in denen sie, anders als Brandenburg, davon ausgehen, dass die Reueerklärung von eritreischen Konsulaten grundsätzlich verlangt wird. Lediglich die Bayerische Staatsregierung ermuntert die lokalen Ausländerbehörden, Eritreer zur eritreischen Botschaft zu schicken, um nachzuweisen, dass die Reueerklärung von ihnen verlangt wird. Aus anderen Bundesländern liegen der taz keine Erkenntnisse vor. Allerdings leben Eritreer auch konzentriert in den genannten Bundesländern.

Aus Sicht von Peter von Auer von Pro Asyl ist das bayerische und das Brandenburger Vorgehen „klar rechtswidrig“. Das sieht auch die Brandenburger Linke so und hat darum im Innenausschuss im Landtag das Thema auf die Agenda gesetzt. In Bayern halten sich nicht alle Landkreise an die Vorgabe des Ministeriums, und Fälle, wo man wie in Brandenburg zusätzlich eine ID-Karte der eritreischen Botschaft vorweisen muss, sind dort nicht bekannt. Insofern handelt Brandenburg flüchtlingspolitisch restriktiver als Bayern.

Damit erweisen sich die Innenministerien in Potsdam und München als eine Art Standortrisiko für Eritreer. Viele, die in den letzten Jahren mit viel Aufwand ortsansässiger Firmen aus Brandenburg und Bayern als Krankenpfleger, Reinigungskräfte oder Hotelfachkräfte ausgebildet oder eingearbeitet wurden, sind laut dem Verein Eridac bereits in andere Bundesländer und andere EU-Staaten ausgewandert oder befinden sich dort noch auf Wohnungssuche, um letztlich dorthin umziehen zu können.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.