Britpopstar Arlo Parks: Schwelgerisch beim Trübsinn

Die britische Sängerin Arlo Parks denkt in ihren Songs über psychische Gesundheit nach. Besonders wütend klingt das Album „My Soft Machine“ nicht.

Arlo Parks in gestreiftem Pulli und mit rotgefärbtem Haar

Fürsprecherin aller Depressiven von Großbritannien: Arlo Parks Foto: Alex Waespi

Als „Black Dog“ bezeichnete der legendäre britische Staatsmann und Tory-Politiker Winston Churchill seine depressiven Phasen. Für die 22-jährige Londoner Songwriterin Arlo Parks war es paradoxerweise ein nach den trübsinnigen Momenten des zweimaligen britischen Premierministers benannter Song, der sie im Frühsommer 2020 ins Rampenlicht katapultierte.

Timing-technisch war Parks’ „Black Dog“ eine Punktlandung, setzte sich seinerzeit doch gerade die Erkenntnis durch, dass die neue pandemische Realität uns eine längere Zeit über beschäftigen und einschränken würde. Viele Menschen wurden durch den Covid-Virus zum unfreiwilligen Rückzug aus der Öffentlichkeit gezwungen und in die eigenen vier Wände verbannt.

Mittlerweile ist hinreichend belegt, dass insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene unter den sozialen Folgen der Pandemie gelitten haben und es noch immer tun. Psychische Probleme sind in der Altersgruppe der 17- bis 25-Jährigen so präsent wie seit Langem nicht. So hat etwa ein Drittel der Befragten laut der halbjährlich durchgeführten Studie „Jugend in Deutschland“ starke Selbstzweifel geäußert.

Aus der Kammer locken

Adressiert hatte Parks das verträumt perlende „Black Dog“ seinerzeit an eine Freundin. Deren Schwermut wollte Parks gerne lindern, sie aus ihrer Kammer locken und ihr zumindest ein bisschen Obst einflößen: „It’s so cruel / What your mind can do for no reason“. Nun ja, Gründe für Depressionen gibt es ja zuhauf. Dass der breitere gesellschaftliche Kontext bei Parks eher ausgeklammert und psychisches Leid als individuelles Problem gezeichnet wird, passt in den Zeitgeist.

Arlo Parks: „My Soft Machine“ (Pias/Transgressive/Rough Trade)

live: 17. 9. „Huxley’s Neue Welt“ Berlin

Für ihre skizzenhaften Beschreibungen postpubertärer Orientierungslosigkeit findet die britische Künstlerin, die eigentlich Anaïs Oluwatoyin Estelle Marinho heißt, durchaus stimmige Bilder. Bisweilen mag man sich jedoch wundern, wie wenig wütend das die junge Songwriterin in ihrer Musik macht.

Parks, die im Londoner Bezirk Hammersmith aufwuchs – „als schwarzer Teenie, der null tanzen konnte und zu viel Emo-Musik hörte“ – ist zwischenzeitlich nach Los Angeles gezogen. Und seit ihrem Durchbruch als Poptalent ist sie so etwas wie die Mental-Health-Fürsprecherin ihrer Generation – in offizieller Mission, als Botschafterin der Wohltätigkeitsorganisation CALM (Campaign Against Living Miserably). Aber auch, was ihr künstlerisches Sendungsbewusstsein betrifft, ist sie sehr sichtbar.

Gleich in den ersten Zeilen ihres zweiten Albums „My Soft Machine“ bringt sie es mit dem Song „Bruiseless“ auf den Punkt: „I wish I was bruiseless / Almost everyone that I love has been abused / And I am included / I feel so much guilt that I could not guard more people from harm.“ Letzteres mag ein ehrenwertes Anliegen sein, bringt aber nicht unbedingt Musik hervor, an der man sich produktiv reibt.

Glatt poliert und sehr geschmeidig

Bewegte sich Arlo Parks’ Debütalbum „Collapsed in Sunbeams“ (2021) und die 2019 erschienenen EPs „Super Sad Generation“ und „Sophie“ noch in einem eigenwillig betexteten Spannungsfeld von introspektivem Bedroom-Pop und LoFi-Folk, klingt der Nachfolger nun glattpolierter und deutlich geschmeidiger.

Der handwerklich durchaus solide Soulpop wirkt in der Summe etwas zu gleichförmig und weist zudem eine bisweilen irritierende Text-Sound-Schere auf– Störgeräusche oder Stolperer, eine Vertonung der Abgründe, die sie umtrieben, finden sich in Arlo Parks’ Musik kaum. Songs über Liebeswirren, Drogenkonsum, ein diffuses Gefühl von Verlorenheit und innerer Erschöpfung kommen geradezu fluffig daher. Etwa im schwelgerischen Song „Purple Phase“, in dem bittet sie ihr aufgelöstes Gegenüber im Text, sich doch professionelle Hilfe zu suchen.

Gelegentlich gelingen Arlo Parks beim Texten dennoch überraschende Hakenschläge. Im Song „Devotion“ lässt sie auf die etwas abgelutschte Phrase „You make me feel free“ folgen: „Ripping it out of me like Kim Deal.“ Schön, dass die einstige Bassistin und Sängerin der US-Indiedarlings Pixies und Breeders, die selbst mit inneren Dämonen zu kämpfen hatte, immer noch als Role-Model taugt.

Unterm Strich wirken auf „My Soft Machine“ vor allem die Liebeslieder stimmig; „Impurities“ etwa, offenbar ihrer Freundin, der US-Rapperin Ashnikko gewidmet. Parks besingt in dem Song, wie aufgehoben sie sich in der Beziehung fühlt – immer im vollen Bewusstsein, dass auch das nur eine Momentaufnahme ist.

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