Snake Plissken mit Düsenantrieb

WELTRAUMKNAST In „Lockout“ liefern James Mather und Stephen St. Leger Action-Kino fast wie aus den 80ern. Guy Pearce trainierte sich für diese Rolle 20 Kilogramm Muskeln an

VON ECKHARD HASCHEN

Wie es sich für einen echten Action-Helden gehört, ist der beim CIA in Ungnade gefallene Agent Snow ein ganz harter Bursche. Gleich in der Eröffnungssequenz wird er während eines Verhörs äußert brutal geschlagen – hat aber immer noch einen coolen Spruch auf den Lippen. Wie Sylvester Stallone in seinen besten Tagen. Oder Bruce Willis.

Mag Guy Pearce, der sich eigens für diese Rolle 20 Kilogramm Muskeln antrainiert hat, von Hause auch aus nicht über deren Statur verfügen, so hat er doch – von „LA Confidential“ über „Memento“ bis „Hurt Locker“ – immer wieder bewiesen, dass er über erstaunliche Nehmerqualitäten verfügt. Aber diesmal darf er – mit Fäusten ebenso wie mit Worten – darüber hinaus auch kräftig austeilen. Schließlich gilt es für ihn, Emilie (Maggie Grace), die Tochter des amerikanischen Präsidenten aus der Gewalt von Schwerverbrechern zu befreien; von Kriminellen, die nicht nur vollkommen unberechenbar, sondern – buchstäblich – ausgeschlafen sind.

Eine Mission Impossible ist dies, die sich Snow natürlich nicht selbst ausgesucht hat. Im Gegenteil: Sie ist seine einzige Chance, nicht für die nächsten 30 Jahre in einen komaähnlichen Tiefschlaf versetzt zu werden. Denn wir schreiben das Jahr 2079, und da soll der unliebsam gewordene Undercover-Spezialist, der soeben wegen Mordes und Landesverrats verurteilt worden ist, seine Haftzeit zusammen mit den 500 gefährlichsten Verbrechern der Welt auf der MS „One“, einer 50 Meilen über der Erde kreisenden Raumstation, verbringen. Doch haben dort soeben ein paar Häftlinge die Präsidententochter – als diese sich höchstselbst von deren Gesundheitszustand in der Haft überzeugen wollte – überwältigt, ihre Mithäftlinge geweckt und schließlich die MS „One“ vollständig unter ihre Kontrolle gebracht. Da braucht es nun schon einen besonders furchtlosen Helden. Einen durch und durch menschlichen zumal – wenn schon keiner aus einem der einschlägigen Comics in Sicht ist – der jederzeit weiß, wie man alles auf eine Karte setzt.

Auch wenn Guy Pearce kein Problem damit zu haben scheint, permanent allein gegen eine Übermacht anzutreten – wirklich glänzen kann er nur, wo er halbwegs gleichwertige Gegner hat. Wie zum Beispiel den Briten Joseph Gielgun, der in der Rolle des jüngeren Bruders des Anführers des Gefängnisaufstands eine derart beängstigende Gewaltbereitschaft ausstrahlt, dass man getrost vom absolut Bösen sprechen kann.Der anderen, kalkuliert durchtriebenen Seite des Bösen gibt dagegen Peter Stormare in Gestalt des durch und durch korrupten CIA-Oberen, ein kaum weniger markantes Gesicht.

Mehr als die meisten Action-Vehikel aus den fast unermesslich scheinenden Produktionswerkstätten Luc Bessons lehnt sich „Lockup“ direkt an bekannte Vorbilder an. Am stärksten sind die Anklänge – für das Drehbuch zeichnet Besson gemeinsam mit dem irischen Regie-Duo James Mather und Stephen St. Leger verantwortlich – an John Carpenters „Die Klapperschlange“. Es steckt unzweifelhaft eine gehörige Portion Snake Plissken in Snow. Wobei Kurt Russells Mission und Carpenters längst schon wieder vergangener Zukunftsvision von vor gut 30 Jahren natürlich eine andere Dimension hatten.

Vom Regisseur des „5. Elements“ dürfte die einzig wirklich originelle Idee des Films stammen – die vom Gefängnisse des späten 21. Jahrhunderts als einer Art fliegenden Festung, in der die Insassen mehr aus- als eingesperrt sind. Dass die Flüge von der Erde dorthin und zurück in ihrem Film nicht allen Gesetzen der Physik gehorchen, mag man Mather und St. Lether nachsehen: Aller aufgewandten Tricktechnik zum Trotz versprüht ihr rasant hingeworfener Sci-Fi-Actioner am Ende nichts mehr als den Charme eines B-Movies.