Entsorgung von Castor-Transportbehältern: Verschrottet wie ein altes Fahrrad

Der Betreiber des Gorlebener Zwischenlagers lässt alte Castor-Hauben verschrotten. Atomkraftgegner warnen vor der Strahlung und fordern ein Freimessen.

Etliche Transporthülsen für Castorbehälter stehen in einer großen Halle

Möglicherweise strahlend: Transporthüllen für Castorbehälter in der sogennante „Kartoffelscheune“ Foto: Jochen Lübke/dpa

Göttingen taz | Atomkraftgegner im Wendland zeigen sich schwer irritiert. Mit „großer Besorgnis“ habe man aus der Lokalpresse erfahren, dass Transporthüllen von Castorbehältern auf einem ganz normalen Schrottplatz entsorgt würden, ohne dass diese vorher freigemessen worden seien, sagt Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ), Betreiber der beiden Gorlebener Atommüllzwischenlager, habe die metallenen Hauben von einem Schrotthändler in der Kreisstadt ­Lüchow schreddern lassen.

In der Castorhalle im Gorlebener Wald, einem der beiden Zwischenlager, strahlen 113 mit hoch radioaktivem Atommüll befüllte Behälter vor sich hin. Sie wurden zwischen 1995 und 2011 in insgesamt 13 Transporten gegen den erbitterten Widerstand Tausender Atomgegner ins Wendland gebracht – bis Dannenberg mit der Bahn, von dort per Tieflader auf der Straße nach Gorleben.

Die Castoren sollten eigentlich zu einem späteren Zeitpunkt in dem wenige Hundert Meter entfernten unterirdischen Salzstock verbuddelt werden, der jahrzehntelang als einziger Standort für ein atomares Endlager untersucht wurde.

Nach dem Neustart der Endlagersuche schied Gorleben 2020 aus dem Verfahren aus. Bis ein neuer Standort gefunden und ein Endlager gebaut ist, werden noch mehrere Jahrzehnte vergehen. So lange müssen die Castorbehälter in der von vielen Einheimischen so genannten „Kartoffelscheune“ verbleiben.

Wände, dünner als 50 Zentimeter

Dieser Name für den wuchtigen, fensterlosen Bau sei damals schnell entstanden, erinnert sich Wolfgang Ehmke: „Die ‚Kartoffelscheune‘ heißt so, weil die Halle lediglich Schutz vor schlechtem Wetter bietet.“ Nur die Castoren selbst sollten den Schutz vor der Strahlung oder vor Flugzeugabstürzen und Terroranschlägen garantieren. Die Wände seien zum Teil dünner als 50 Zentimeter.

Während der ersten Transporte waren die tonnenschweren Behälter mit Planen abgedeckt, später wurden diese Planen durch metallene Transporthauben ersetzt. Die Hauben lagerten nach der Nutzung in einer eigens dafür hergerichteten Halle. Um Platz zu schaffen, ließ die BGZ nun mehrere dieser Hauben in Lüchow verschrotten, wie ein Unternehmenssprecher gegenüber der Elbe-Jeetzel-Zeitung (EJZ) bestätigte. Gesundheitliche oder andere nachteilige Auswirkungen habe das nicht gehabt.

Eine besondere Behandlung hätten die alten, jetzt verschrotteten Transporthüllen auch nicht benötigt, so die BGZ. Sie seien nämlich zu keinem Zeitpunkt mit dem Inhalt der Transportbehälter in Berührung gekommen. Schließlich seien die Behälter so konstruiert worden, dass der strahlende Schrott darin gänzlich von der Atmosphäre abgeschirmt werden könne. Die Integrität, also die Dichtheit der Behälter, sei zu jedem Transport-Zeitpunkt gewährleistet gewesen. Daher hätten die Transporthüllen auch nicht freigemessen werden müssen, bevor sie die Gorlebener Anlage verließen. Sie seien, „wenn man so will, ganz normales Altmetall“.

Die Bürgerinitiative widerspricht der Darstellung. Beim Transport der Castoren seien die Transporthüllen einer „unvorstellbar hohen Neutronenstrahlung“ ausgesetzt gewesen, sagt Ehmke. Es sei zu vermuten, „dass bei der sogenannten Neutronenaktivierung die Atomkerne der Transporthülle Neutronen einfangen“.

Die Hauben könnten also möglicherweise selbst radioaktiv geworden sein und Strahlung abgeben. Die Darstellung der BGZ, dass die Abschirmungen mit dem Behälterinneren keinen Kontakt hatten, gehe deshalb „am Kern des Problems vorbei“, betont der BI-Sprecher.

Aus seiner Sicht hätte es vor der Verschrottung eine „Freimessung“ der Transporthauben geben müssen, wie sie in der Strahlenschutzverordnung beschrieben sei. Der Begriff „Freimessen“ bedeutet in der Atomtechnik den Nachweis, dass bestimmte, vor allem beim Rückbau oder Abriss einer nuklearen Anlage anfallende Rückstände wie Bauschutt und Metallteile so wenig radioaktive Strahlung aufweisen, dass sie nicht mehr überwacht werden müssen.

Bürgerinitiative will sich an Atomaufsicht wenden

„Für uns ist völlig ungeklärt, warum diese Freimessung nicht erfolgt ist“, sagt Ehmke. „Und dass dadurch Arbeiter möglicherweise in Gefahr gebracht wurden.“ Eine Montagmorgen gestellte Anfrage der taz dazu ließ die BGZ bis zum Nachmittag unbeantwortet. Die Bürgerinitiative will sich in der Sache jetzt an die Atomaufsicht im niedersächsischen Umweltministerium wenden.

Dass nun einige der alten Hüllen verschrottet werden, verzögert nach Angaben der BGZ keinesfalls den späteren Abtransport der Castoren. Alle in Gorleben lagernden Behälter hätten „verkehrsrechtliche Zulassungen“ und könnten jederzeit in das künftige Endlager gefahren werden.

Und auch nur noch dorthin, denn das sei gesetzlich so geregelt: „Die Behälter dürfen nur noch genau einmal transportiert werden – eben in ein Endlager“, heißt es seitens der BGZ. Da es mit der Suche, Planung und dem Bau dieses Endlagers aber noch lange dauere, stellten die verschrotteten Transporthüllen auch „kein Transporthemmnis“ dar.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.