Migrationspolitik in Deutschland: Fortschritte, aber auch Verschärfungen

Das Bündnis „Pass(t) uns allen“ kritisiert den Entwurf zum Staatsangehörigkeitsrecht. Wer So­zi­al­hil­fe­ bekommt, habe kaum Chancen auf Einbürgerung.

Hände auf einer Einbürgerungsurkunde

Das Bündnis fordert Erleichterungen bei der Einbürgerung Foto: Peer Grimm/dpa

BERLIN taz | Ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht versprach die Ampel im Koalitionsvertrag. Am Freitag legte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) einen entsprechenden Gesetzentwurf vor.

Doch das Bündnis „Pass(t) uns allen“ aus rund 50 migrantischen und rassismuskritischen Organisationen ist noch unzufrieden. In einer Pressekonferenz am Donnerstag sagte Olga Gerstenberger, Mitinitiatorin des Bündnisses, man sehe zwar Fortschritte, aber auch Verschärfungen: „Jetzt ist die Chance, noch Verbesserungen einzufordern.“ Das Bündnis kritisiert vor allem einen Aspekt: Wer So­zi­al­hil­fe­ bekommt, hat laut Entwurf kaum Chancen auf Einbürgerung.

Es gibt nur drei Ausnahmen: sogenannte Gast- oder Vertragsarbeiter:innen, in Vollzeit Erwerbstätige und Ehe- oder eingetragene Le­bens­part­ne­r:in­nen, wenn ein minderjähriges Kind im Haushalt lebt. Damit würden wohl Menschen, die Angehörige pflegen, Alleinerziehende oder auch Menschen mit Behinderung sich nicht mehr einbürgern lassen können. Auch Kinder, die über ihre Eltern Sozialhilfe beziehen, könnten das nicht. Laut „Pass(t) uns allen“ verschärft das die aktuelle Rechtslage.

Derzeit können sich auch So­zi­al­hil­fe­emp­fän­ge­r:in­nen einbürgern lassen, wenn sie die Sozialhilfe nicht zu vertreten haben – also selbst nichts für den Sozialhilfebezug können. Da Kinder, Pflegende oder auch Menschen mit Behinderung oft keine andere Möglichkeit haben, außer Sozialhilfe zu empfangen, würde das aktuelle Gesetz ihnen die Einbürgerung ermöglichen. Auch wer durch äußere Umstände, wie etwa Konjunkturschwankungen, den Job verliert, könnte sich noch einbürgern lassen. Der neue Entwurf deckt alle diese Fälle wohl nicht ab.

Armutsbetroffene von der Teilhabe ausgeschlossen

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft den Umgang mit Menschen ohne Pass. Denis Neselovskyi von der Organisation Statefree, kritisierte: „Der Entwurf berücksichtigt die 126.000 Menschen im Land ohne Staatsangehörigkeit nicht.“ Staatenlosigkeit in Deutschland nehme zu, da Kinder den Status qua Geburt von ihren Eltern übernehmen. Das Bündnis fordert daher einen klareren Umgang mit Staatenlosen und Erleichterungen bei der Einbürgerung. Zudem sollen Kinder, die hier geboren werden, auch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.

Und dann wird es noch grundsätzlich: Der Gesetzentwurf schließe Armutsbetroffene von der Teilhabe aus. Clemens Hauser von der Organisation „Wir wählen“ fragt: „Kann in einer Demokratie die Teilhabe vom Einkommen abhängen?“

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