Twitter und Desinformation: Nicht mehr gegen Desinformation

Laut Angaben der EU-Kommission will der Kurznachrichtendienst Twitter aus dem EU-Kodex gegen Desinformation austreten.

Das Firmenlogo von Twitter, ein blauer Vogel, an einer Hauswand

Twitter kündigt ein Regelwerk auf, das es selbst mitgestaltet hat Foto: Carlos Barria/reuters

Twitter hat sich seit Elon Musk ja schon von so manchem Verhaltenskodex verabschiedet, kürzlich erst durch die freundliche Unterstützung für Floridas rechtspopulistischen Gouverneur Ron ­DeSantis als Präsidentschaftskandidat der Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen. Der neueste Move war also beinahe absehbar: Das Unternehmen will laut Angaben der EU-Kommission aus dem freiwilligen EU-Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation austreten. Das schrieb unter anderem EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton.

Der EU-Verhaltenskodex gegen Desinformation, der im Juni 2022 von über 30 Unternehmen und Organisationen unterschrieben wurde, ist ein freiwilliges Abkommen, das die Unterzeichnenden selbst geschrieben haben auf Basis der Empfehlungen der EU-Kommission. Mit dabei sind auch Tiktok, Twitch, Meta, Google und Microsoft. Jetzt steigt Twitter aus dem Regelwerk aus, das es mitgestaltet hat.

Zu den Verpflichtungen gehören unter anderem, die Verbreitung von Desinformationen einzudämmen und den Umgang mit politischer Werbung transparent zu machen. Außerdem soll mit Fact-Checkern zusammengearbeitet werden und Forschende sollen leichteren Zugriff auf relevante Daten bekommen.

Das alles muss zudem evaluiert werden, weswegen die Unternehmen über ihre Schritte berichten sollen. Ein solcher Bericht wurde Anfang 2023 veröffentlicht. Twitter schnitt darin besonders schlecht ab – weil es gar nicht erst die notwendigen Daten ablieferte.

Twitter muss wegen Digital Services Act agieren

Be­ob­ach­te­r*in­nen halten den Schritt für eine logische Konsequenz des bisherigen Vorgehens von Elon Musk, der das Unternehmen im Herbst 2022 kaufte und seitdem viele Mitarbeitende entlassen hat, auch in den Abteilungen, die für die Moderation von Inhalten zuständig waren, also dafür, Falschinformationen und Hassnachrichten zu sichten, zu löschen und gegebenenfalls anzuzeigen.

Musk, selbsternannter Verfechter der Meinungsfreiheit, lässt immer wieder Menschen zurück auf die Plattform, die vorher wegen antisemitischer/rassistischer/sexistischer/faschistischer Aussagen verbannt worden waren. Stattdessen sperrt Musk Personen, die ihn kritisieren, zumindest zeitweise aus der Twitter-Öffentlichkeit aus. Auf Anfrage der taz, wie Twitter verhindern möchte, dass Desinformation und Hass auf der Plattform weiter gedeihen, antwortete das Unternehmen automatisiert mit dem Emoji eines Kothaufens.

Trotz des Austritts aus dem Verhaltenskodex wird Twitter in Zukunft gegen manche Inhalte vorgehen müssen – wegen des Digital Services Act (DSA). Der verpflichtet Plattformen unter anderem, illegale Inhalte schneller zu löschen. Zudem muss es für Use­r*in­nen einfacher werden, solche Inhalte zu melden. Bei Nichteinhaltung sollen Strafen in Milliardenhöhe möglich werden. Für besonders große Plattformen soll das Gesetz im August 2023 in Kraft treten, für alle anderen im Februar 2024.

Breton verwies in seiner Nachricht auf den DSA und schrieb: „Ihr könnt weglaufen, aber ihr könnt euch nicht verstecken.“ Ebenso äußerten sich andere Po­li­ti­ke­r*in­nen wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Digitalminister Volker Wissing (FDP) und SPD-Vorsitzende Saskia Esken auf Social Media und in Medien besorgt, aber entschlossen, den DSA durchzusetzen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.